10.12.2018 Wieder katastrophale Zustände in der Berliner Asylaufnahme

Hilfeschrei zum Tag der Menschenrechte

Ausgerechnet zum 70. Jahrestag der Erklärung der Menschenrechte müssen wir aus Berlin wieder berichten, dass sie "gedehnt", "geschliffen" oder einfach "vergessen" werden. Als Mitglied im Flüchtlingsrat Berlin möchten wir auf die heutige Pressemitteilung zum Thema hinweisen.

Rechtswidrige Verweigerung der medizinischen Versorgung, wochenlanges Warten auf Sozialleistungen und Registrierung des Asylgesuchs

Das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) verzögert systematisch die Registrierung, die medizinische Versorgung und das Asylverfahren für in Berlin neu ankommende Flüchtlinge. Wochenlang müssen Asylsuchende unter menschenunwürdigen Umständen in der Notunterkunft des „Ankunftszentrums“ in den Hangars des Flughafens Tempelhof ausharren.

Sie erhalten in dieser Zeit rechtswidrig keinen Zugang zu Krankenbehandlung und zu Sozialleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. In Spandau wurde eine Außenstelle des Ankunftszentrums eingerichtet, wo die Geflüchteten gleichfalls keine Leistungen erhalten und medizinisch nicht versorgt werden.

Georg Classen, Sprecher des Flüchtlingsrats Berlin, erklärt zum heutigen Tag der Menschenrechte: „Es überrascht und schockiert, dass ausgerechnet in Verantwortung einer Sozialsenatorin der „Linken“ die Grund- und Menschenrechte Geflüchteter in Berlin bei der Unterbringung sowie der sozialen und medizinischen Existenzsicherung systematisch verletzt werden, und dies trotz anhaltend niedriger Zugangszahlen.[1]

Wir fordern das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten und Sozialsenatorin Breitenbach erneut[2] auf, die menschenunwürdige Notunterkunft in den Tempelhofer Hangars sofort zu schließen und die in Berlin ankommenden Asylsuchenden ab dem ersten Tag in den inzwischen ausreichend vorhandenen regulären Unterkünften unterzubringen. Es ist unter keinem Gesichtspunkt vertretbar, den Hangar - wie vom Senat offenbar geplant - bis zur Eröffnung des für 2020 geplanten Ersatzneubaus für ein Ankunftszentrum in Reinickendorf[3] weiter zu betreiben. Wir fordern Senatorin und LAF auf, in Berlin die verfassungskonforme Gewährleistung des Grundrechts auf ein menschenwürdiges Existenzminimum nach dem Asylbewerberleistungsgesetz einschließlich des Zugangs zu medizinischer Versorgung umgehend sicherzustellen.

Registrierungschaos beim LAF dauert an

Gravierende Mängel in der Organisation des LAF und fehlender Personaleinsatz im Bereich der Registrierung führen bereits seit Mai 2018 zu massiven Problemen bei der Versorgung und Unterbringung Asylsuchender in Berlin.[4] Dabei sind die Zugangszahlen stabil, in 2017 gab es einen leichten Rückgang um 15 % gegenüber 2016. Berlin muss etwa 700 Asylsuchende monatlich aufnehmen.[5]

Statt der offiziell vorgesehenen drei Tage[6] dauert die Registrierung derzeit vier Wochen. Statt zuvor etwa 60 bis 100 sind in dieser Zeit bis zu 700 Asylsuchende unter menschenunwürdigen Umständen im Tempelhofer Hangar und einer Außenstelle in der Spandauer Schmidt Knobelsdorf Kaserne (SKK) untergebracht. Bis zum Abschluss der Registrierung beim LAF erhalten sie rechtswidrig weder Sozialleistungen noch medizinische Versorgung. Die Einleitung des Asylverfahrens beim BAMF im Behördenteil des Ankunftszentrums in der Bundesallee verzögert sich entsprechend.[7]

Die Entlassung von LAF-Chefin Claudia Langeheine Ende April 2018 hat keine Verbesserung gebracht. Der LAF-Personalrat berichtet von Mobbing, MitarbeiterInnen würden deshalb das LAF verlassen.[8] Die Zustände erinnern an das LAGeSo-Chaos im Jahr 2015 – nur hatte man es damals anders als heute mit einer massiv gestiegenen Zahl Geflüchteter zu tun. Aus diesem Grund wurde im August 2016 das LAF als neue Behörde geschaffen, das – anders als zu Beginn seiner Arbeit - inzwischen nicht einmal mehr die seit zwei Jahren praktisch unveränderten Zugangszahlen bewältigen kann.[9]

Verweigerte Medizinische Versorgung

Die in Berlin neu ankommenden Geflüchteten werden sofort nach Ankunft im HangarvomDRK und dann nochmals von Ärztinnen derCharité untersucht. Sie erhalten dort aber keine medizinische Versorgung, keine Medikamente, keine Rezepte und keine Überweisungsscheine zur fachärztlichen Diagnostik und Behandlung. Selbst Hochschwangere erhalten keinen Zugang zur gynäkologischer Untersuchung und Vorsorge. Die Ärzte der Charité verweisen die Geflüchteten ggf. zwar zutreffend auf die Notwendigkeit einer fachärztlichen Diagnostik und Versorgung, zB durch eine GynäkologIn, DermatologIn, UrologIn usw., die im Hangar aber nicht leistbar ist. Für die Dauer der Registrierungsphase verweigert das LAF jedoch rechtswidrig den Zugang zu ambulanter ärztlicher Behandlung.

Regelmäßig wird stattdessen die Feuerwehr zum Hangar gerufen, um wenigstens in akuten Notfällen Zugang zu den Rettungsstellen der Krankenhäuser zu erhalten. Diese berichten von Problemen mit der Abrechnung beim LAF, weil dort die Registrierung des Asylgesuchs fehlt.

Geflüchtete berichten, dass SozialbetreuerInnen aus dem Hangar und Bekannte versuchen, privat Medikamente zu organisieren, auch rezeptpflichtige. Manche besorgen sich Schlafmittel, um überhaupt im Hangar schlafen zu können. Die Menschen erhalten erst nach wochenlangem Warten den ihnen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zustehenden vorläufigen Berechtigungsnachweis einer Krankenkasse zur Überbrückung der Wartezeit auf die Chipkarte der Kasse.

Auf Kritik des Flüchtlingsrats hin hat das LAF jetzt angekündigt, dass die Charité im Hangar künftig - anders als bisher - auch Medikamente und Hilfsmittel kleinerer Art direkt ausgeben soll und ausnahmsweise im Einzelfall auch ein Privatrezept ausstellen könne. Doch auch auf diese Weise ist die medizinisch notwendige fachärztliche Vorsorge, Diagnostik und Versorgung für Schwangere, akut und chronisch Kranke nicht zu leisten. Zwingend notwendig ist die Ausgabe eines Berechtigungsnachweises für den Zugang zum ambulanten ärztlichen Regelsystem ab dem ersten Tag.

Fragwürdige Quarantänemaßnahmen – kafkaeske Zustände

Im krassen Widerspruch zu den krankmachenden Zuständen und der verweigerten medizinischen Versorgung im Hangar und dessen Außenstelle in der Schmidt-Knobelsdorf-Kaserne (SKK) stehen regelmäßig angeordnete Quarantänemaßnahmen z.B. wegen Masern oder Windpocken, die durch die Massenunterbringung in den riesigen Hangars überhaupt erst nötig werden. Für ganze Kohorten von Flüchtlingen verzögert die Quarantäne dann den Asylprozess und den Zugang zu ärztlicher Behandlung um weitere Wochen. Wären die Menschen in abgeschlossen Appartements untergebracht und könnten sich selbst versorgen, wie es z.B. auch im Containerlager auf dem Vorfeld der Fall ist, könnte man die Quarantäne auf die Wohnung der betroffenen Familie bzw. Einzelpersonen beschränken.

Aktuell steht offenbar ein Teil der Außenstelle des Ankunftszentrums in derSKK (Haus 53) unter „Quarantäne“. Im Unterschied zu anderen Teilen der SKK, wo die Matratzen völlig verdreckt sind, gibt es dort neue, mit Inkontinenzüberzug versehene Matratzen. WCs und Sanitärräume sind jedoch extrem verschmutzt und unhygienisch. Der Registrierungsprozess für die Betroffenen ist ausgesetzt. Sie wurden nicht informiert, weshalb sie unter Quarantäne stehen, mit welcher Krankheit sie sich infiziert haben könnten, auf welche Symptome sie ggf. achten müssen, wie sie ggf. eine ärztliche Diagnostik und Behandlung erhalten könnten, und wie lange diese „Quarantäne“ dauern soll.

Die unter „Quarantäne“ stehenden Menschen erhalten keinen Berechtigungsnachweis zur Krankenbehandlung. Sie dürfen ohne Termin auch nicht zum LAF, um dies zu beantragen. Die Menschen haben Angst und fragten sich, mit welcher Krankheit sie sich infiziert haben könnten, ob es vielleicht Tuberkulose sei. Oder geht es in Wahrheit nur darum, die Menschen für eine Weile zwischenzuparken, weil der Registrierungsprozess im LAF stoppt? Kafkaeske Zustände in der Asylaufnahme.

Hangars im Katastrophenmodus – und keine Bettdecken

Die Unterkunft in den Hangars 1 bis 3 im ehemaligen Flughafen Tempelhof wird seit Herbst 2015 vom privaten Betreiber Tamaja GmbH im Auftrag des LAF im Katastrophenmodus betrieben. Mehrere hundert Menschen sind in nach oben offenen, türenlosen, nur mit einem Vorhang verschlossenen, mit Messestellwänden abgetrennten Parzellen in den 20 Meter hohen Flugzeuggaragen untergebracht. In den Parzellen stehen nur Etagenbetten, aber kein Tisch, kein Stuhl, kein Schrank, keine Ablage. Drei m2/pro Person, jeweils acht Menschen auf 25 m2. Die mit Baustellenlüftern beheizten, in keiner Weise wärmeisolierten Hallen sind zur Beherbergung von Menschen weder gebaut noch geeignet. Der hohe Dauerlärmpegel, die fehlende Privatsphäre, die Kälte und das mangelnde Sicherheitsgefühl hindern die Menschen am Schlafen.

Die Menschen erhalten - angeblich aus hygienischen Gründen - als Zudecke keine richtige Bettdecke, sondern nur ein Laken und ein 5 mm dünnes, 180 x 110 cm großes Wegwerfvlies. Wer sich beschwert, erhält zwar möglicherweise ein zweites Vlies, aber auch das reicht nicht. Die Menschen frieren und schlafen wegen der Kälte in ihrer Kleidung, können diese mangels Waschmaschinen usw. aber auch nicht richtig waschen und trocken. In den Toiletten gewaschene Kleidung wird an den Etagenbetten aufgehängt, kann in den Hangars aber nicht richtig trocknen. Im Hangar 1 haben wir am 1.12.2018 mittags eine Temperatur von 17 Grad gemessen. Das Warmwasser in den Sanitäranlagen funktioniert nur teilweise, Heizungen gibt es dort nicht. Auf unsere Beschwerde hin wurde jetzt zwar die Heizleistung erhöht, aber keine richtigen Bettdecken ausgegeben.

Bargeldentzug und schäbige Unterbringung verringern Chancen im Asylverfahren

Die sogenannte Dublin-Befragung und die Asylanhörung durch das BAMF findet in vielen Fällen bereits während der Unterbringung im Hangar statt. Weil die Menschen nachts nicht in Ruhe schlafen können und mangels Bargeld und Fahrkarten keinen Zugang zu Anwälten und Rechtsberatung haben, entstehen bei den Asylanhörungen gravierende Fehler. Die Geflüchteten vergessen oder verwechseln wesentliche Fakten, die sie nachträglich dann nicht mehr korrigieren können. Sie haben ohne Taschengeld und Fahrkarten keinen Zugang zu den Asylberatungsstellen in der Stadt. Die Situation wird noch verschärft dadurch, dass das LAF entgegen der EU-Asylaufnahmerichtlinie NGOs wie dem Flüchtlingsrat und der Refugee Law Clinic den Zugang zu den Geflüchteten im Hangar 2 rechtswidrig verweigert.[10]

Berliner Flüchtlingsberatungsstellen und AnwältInnen berichten, dass Asylsuchende regelmäßig erst nach der Anhörung und Ablehnung des Asylantrags ihre Beratung aufsuchen. Zwar ist vom Senat im Hangar ab 2019 eine behördenunabhängige sogenannte „Asylverfahrensberatung“ geplant. Allerdings wurde dem Träger bereits im Vorfeld untersagt, dort eine asylrechtliche Beratung durchzuführen.[11]

Omnipräsente Security verbreitet Atmosphäre der Angst

Die überall in und vor den Hangars präsenten Securities verbreiten – gewollt oder ungewollt - eine Atmosphäre der Angst. Die meisten Asylsuchenden glauben, dass die Securities Einfluss auf ihr Asylverfahren nehmen können, obwohl dies real nicht der Fall ist. Viele Geflüchteten haben Angst, über ihre Situation mit dem Flüchtlingsrat zu sprechen, da sie Nachteile für ihr Asylverfahren oder Schikanen der Security befürchten. Auch Gespräche im als Beratungsort genutzten "Café" im Hangar 1 sind nur unter Dauerbeobachtung durch Securities möglich. Eine verbindliche, rechtssichere Information der Geflüchteten über die Rolle der Securities und des Betreiberpersonals der Unterkunft fehlt.

Verwahrloste Außenstelle in der Spandauer Schmidt-Knobelsdorf-Kaserne

In der vom der Firma Prisod GmbH betriebenen Außenstelle des Ankunftszentrums in der Schmidt-Knobelsdorf-Kaserne (SKK) gibt es anders als im Hangar reguläre, ausreichend warme Bettdecken mit Bettbezug, auch in der „Quarantäne“, es geht also auch anders. Einmal in der Woche kann Wäsche gewaschen werden. Die Zimmer haben Türen, sind ausreichend groß und gut beheizt. Anders als im Hangar ist dort auch Besuch möglich.

Allerdings sind Matratzen, Wände, Tische, Stühle, Heizungen, Sanitäranlagen usw. völlig verdreckt. Die Matratzen sind auch ein Hygieneproblem, zumal es keine Matratzenschoner und nur extrem dünne Bettlaken gibt. Es gibt keine Kindersicherungen an den Steckdosen, kein WLAN, keine Sozialberatung. Alleinstehende Frauen müssen sich mit fremden Männern das Zimmer teilen. Man hat den Eindruck, dass die Unterkunft – wohl auch im Hinblick auf die geplante Schließung - völlig verwahrlost ist.

Eine Registerstelle der Firma Tamaja GmbH vergibt in der SKK nach dem gleichen Schema wie im Hangar Termine für ggf. vorgesehene morgendliche Busfahrten in den Behördenteil des Ankunftszentrums in der Bundesallee. Sozialleistungen nach AsylbLG (Barbetrag, BVG-Sozialkarte, Kleidung) werden auch in der SKK rechtswidrig verweigert, ebenso die medizinische Versorgung.

Geflüchtete werden demotiviert, Integration wird sabotiert

Die Menschen werden durch die entwürdigende Unterbringung, Schlafentzug und Kälte im Hangar, prekäre Hygiene, verweigerte Sozialleistungen und verweigerte medizinische Versorgung sowie die allgegenwärtige Überwachung psychisch und physisch krank. Die Geflüchteten werden demotiviert. Der Integrationsprozess wird durch die zuständigen Behörden von Anfang an sabotiert. Es entsteht der Eindruck, dass die Unterbringung im Hangar und der SKK als gezielte Abschreckungsmaßnahme gegen nach Berlin kommende Flüchtlinge eingesetzt wird. Es gibt kein einziges vernünftiges Argument, das den Weiterbetrieb des menschenunwürdigen Hangars als Unterkunft rechtfertigen könnte.

Sozialsenatorin und LAF verweigern Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum

Die Geflüchteten erhalten erst nach wochenlangem Warten am Schluss der Registrierungsphase beim LAF die nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zustehenden Leistungen, wie das Taschengeld für den persönlichen Bedarf, die BVG-Sozialkarte und den Berechtigungsnachweis einer Krankenkasse zur medizinischen Versorgung. Erst dann erhalten sie auch einen Platz in einer reguläre Standards erfüllenden Flüchtlingsunterkunft. Bis dahin gibt es nur Einzelfahrscheine für die Fahrt vom Ankunftszentrum Bundesallee in die Unterkunft, aber nicht für Fahrten zu Beratungsstellen, AnwältInnen, FreundInnen und Bekannten oder zu medizinischen Einrichtungen für nicht Krankenversicherte. Wer trotzdem fährt, läuft Gefahr kriminalisiert zu werden.

Verfassungskonformes Existenzminimum sicherstellen, Asylsuchende menschenwürdig unterbringen, Hangar sofort schließen!

Georg Classen erklärt für den Flüchtlingsrat Berlin: „Das Bundesverfassungsgericht hat in seinen Grundsatzurteilen zum Arbeitslosengeld II und zum Asylbewerberleistungsgesetz festgestellt, dass sich aus Artikel 1 (Menschenwürde) und 20 (Sozialstaat) des Grundgesetzes das vom Staat zu gewährleistende Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenz­minimum ergibt. Dieses Grundrecht ist ein Menschenrecht, das Deutschen und Ausländern, solange sie sich in Deutschland aufhalten, gleichermaßen zusteht. Es umfasst neben der physischen Existenz (Unterkunft, Heizung, Kleidung, Hygiene, Gesundheit und medizinische Versorgung) auch ein Mindestmaß an sozialer und gesellschaftlicher Teilhabe sowie die Sicherung der Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen, in Berlin also die BVG-Sozialkarte und das „Taschengeld“. Das BVerfG stellt diese Grundsätze in seinem Urteil klar und betont, dass das Existenzminimum in jedem Fall und zu jeder Zeit sicher­gestellt werden muss.“[12]

Der Verweis auf Nachzahlungen zur rückwirkenden Existenzsicherung ist rechtswidrig. Das Überleben muss täglich, „in jedem Fall und zu jeder Zeit“ gesichert werden. Durch eine Nachzahlung des Taschengeldes kann die Existenzsicherung für vergangene Tage und Wochen nicht mehr erreicht werden. Wer ohne Fahrschein erwischt wurde, kann diesen nicht drei Wochen später kaufen. Und eine rückwirkende medizinische Versorgung ist erst Recht nicht möglich.

Der Flüchtlingsrat Berlin fordert Sozialsenatorin Breitenbach und das LAF erneut auf, die rechtskonforme Gewährung der Sozialleistungen und der medizinischen Versorgung Geflüchteter ab dem ersten Tag sicherzustellen. Wir fordern die Sozialsenatorin auf, die menschenunwürdige Unterkunft im Hangar sofort zu schließen, und stattdessen die inzwischen ausreichend vorhandenen Kapazitäten in regulären Unterkünften zur Asylaufnahme zu nutzen.[13]

Es ist unter keinem Gesichtspunkt vertretbar, den Hangar - wie vom Senat offenbar geplant - bis zur Eröffnung des für 2020 geplanten Ersatzneubaus für ein Ankunftszentrum in Reinickendorf weiter zu betreiben. Die Registrierung kann wie gehabt im Behördenzentrum in der Bundesallee stattfinden. Dies gilt auch für die Röntgenuntersuchung und die Gesundheitsuntersuchung durch die Charité.[14]

Der Flüchtlingsrat hat mit asylsuchenden Geflüchteten in beiden Unterkünften gesprochen, unser beiden Berichte sind über die Links (ganz) unten einsehbar.

Verweise in der PM:

[1] BVerfG, Urteil zum Asylbewerberleistungsgesetz v. 18.07.2012 - 1 BvL 10/10, www.bverfg.de/e/ls20120718_1bvl001010.html , Leitsatz 2/: „Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG garantiert ein Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (vgl. BVerfGE 125, 175). Art. 1 Abs. 1 GG begründet diesen Anspruch als Menschenrecht. Er umfasst sowohl die physische Existenz des Menschen als auch die Sicherung der Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben. Das Grundrecht steht deutschen und ausländischen Staatsangehörigen, die sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, gleichermaßen zu.“

[2] Vgl. PM 14. Mai 2018 „/Flüchtlingsrat und Initiativen fordern: Notunterkunft Ankunftshangar Tempelhof sofort schließen!“ www.fluechtlingsrat-berlin.de/presseerklaerung/fluechtlingsrat-und-initiativen-fordern-notunterkunft-ankunftshangar-tempelhof-sofort-schliessen

[3] Info LAF 22.11.2018: www.berlin.de/laf/wohnen/informationen-fuer-anwohner/aktuelles/aktuelle-meldungen/artikel.760498.php

[4] Vgl. PM Flüchtlingsrat Berlin 15.07.2018 „Situation für Asylsuchende im Tempelhofer Flugzeughangar spitzt sich zu“ www.fluechtlingsrat-berlin.de/presseerklaerung/situation-fuer-asylsuchende-im-tempelhofer-flugzeughangar-spitzt-sich-zu

[5] Berlin muss nach dem Königsteiner Schlüssel 5 % der bundesweit registrierten Asylsuchenden aufnehmen. Die Zahlen sind seit Januar 2017 auf gleichem Niveau. Laut LAF hat Berlin von Januar bis November 2018 6.753 Asylsuchende aufgenommen, von Januar bis Dezember 2017 waren es 8.285 Asylsuchende, seit Januar 2017 bis heute monatlich stets etwa 600 bis 700 Menschen: www.berlin.de/laf/ankommen/aktuelle-ankunftszahlen/artikel.625503.php siehe Infothek, Statistiken, Asylzahlen: 200.000 Asylerstanträge bundesweit 2017, ca. 15.000 bis 18.000/Monat, Jan - Okt 2018 bundesweit 12.500 bis 15.000/Monat.

[6] Ankunftstag im Hangar und zwei Tage zur Bearbeitung in der Bundesallee, vgl. Ablaufschema LAF, Juni 2018: www.fluechtlingsrat-berlin.de/wp-content/uploads/LAF_Ablauf_AKuZ.pdf

[7] Vgl. PM Flüchtlingsrat Berlin 15.07.2018 „Situation für Asylsuchende im Tempelhofer Flugzeughangar spitzt sich zu“ www.fluechtlingsrat-berlin.de/presseerklaerung/situation-fuer-asylsuchende-im-tempelhofer-flugzeughangar-spitzt-sich-zu/

[8] TSP 11.11.2018: Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten - Personalrat schlägt Alarm wegen Überforderung und Chaos www.tagesspiegel.de/berlin/landesamt-fuer-fluechtlingsangelegenheiten-personalrat-schlaegt-alarm-wegen-ueberforderung-und-chaos/23618246.html , Berliner Zeitung 10.11.2018: Frust im Flüchtlingsamt - Massenhaft Asylanträge bleiben unbearbeitet www.berliner-zeitung.de/berlin/frust-im-fluechtlingsamt-massenhaft-asylantraege-bleiben-unbearbeitet-31567944

[9] Laut Pressemeldung des BAMF vom 01.09.2016 „/Bundesamt eröffnet Ankunftszentrum in Berlin/“, abrufbar bei www.bamf.de unter „Infothek“, sollen im von BAMF und LAF gemeinsam betriebenen neuen Berliner Ankunftszentrum in der Bundesallee bis zu 350 Asylanträge täglich bearbeitet werden können. Eine gigantische Infrastruktur wurde geschaffen. Das LAF ist dennoch überfordert, die seit Januar 2017 praktisch unverändert werktäglich etwa 30 Asylanträge (600/Monat) zu bearbeiten.

[10] Vgl. Armbruster, Classen, Stübinger: Das Ankunftszentrum Berlin, Asylmagazin 10/11 2018, 345.

[11] Eine individuelle Beratung zum Asylverfahren umfasst zwangsläufig immer auch die rechtlichen Aspekte des Asylverfahrens und somit auch eine Rechtsberatung. Eine Asylverfahrensberatung ohne Rechtsberatung ergibt keinen Sinn. Die Ausschreibung des LAF für die ab 2019 geplante „Asylverfahrensberatung“ beinhaltet dennoch ausdrücklich das Verbot der Rechtsberatung. Vorgesehen sind drei Stellen für SozialarbeiterInnen, aber keine JuristIn. Dies reicht auch personell für die Beratung der monatlich 600 in Berlin ankommenden Flüchtlinge – 30 pro Werktag – keinesfalls aus.

[12] BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2012 - 1 BvL 10/10, www.bverfg.de/e/ls20120718_1bvl001010.html

[13] Am 30.11.2018 standen laut LAF-Liste 3.035 Plätze in regulären LAF-Unterkünften leer, weitere 3.255 freie Plätze waren durch Baumaßnahmen etc. blockiert: http://fluechtlingsrat-berlin.de/belegungsstatistik_laf_30nov2018/

Darüber hinaus existiert nach Presseberichten ein weiterer, in der verlinkten LAF-Liste nicht erfasster Leerstand durch Probleme beim LAF mit der Ausschreibung und Vergabe von Betreiberverträgen, weshalb die neu errichteten, bezugsfertigen Containerunterkünfte in der Bonhoeffer-Klinik, am Rohrdamm und an der Karl-Marx-Straße bereits seit Monaten leer stehen.

[14] Am Tag der Ankunft im Hangar findet eine medizinische Erstuntersuchung durch Sanitäter des DRK Müggelspree statt. Dies könnte ebenso gut auch vor Ort in anderen Unterkünften stattfinden. Die ärztliche Erstuntersuchung nach § 62 AsylG führt die Charité 2 bis 3 Tage nach Ankunft im Hangar durch, die Röntgenuntersuchung auf TBC findet 2 – 3 Tage nach Ankunft im Röntgen-LKW des Gesundheitsamtes Lichtenberg statt, das vor dem Hangar steht und bis Mitte 2017 ebenso wie die Erstuntersuchung der Charité in der Bundesallee stationiert war.

Flüchtlingsrat Berlin e.V.
Greifswalder Str. 4
10405 Berlin

Mehr dazu bei http://fluechtlingsrat-berlin.de/bericht_notunterkunft_hangar_dez2018/
und http://fluechtlingsrat-berlin.de/bericht_notunterkunft_skk_dez2018/
und www.fluechtlingsrat-berlin.de


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Erstellt: 2018-12-10 11:20:09
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