Freie Meinungsbildung wird verfolgt
Wieviel freie Presse darf es denn sein? Geht es nach dem Grundgesetz, so darf die Pressefreiheit nicht eingeschränkt werden. Trotzdem wird die linke Tageszeitung "Junge Welt" vom Verfassungsschutz beobachtet - wie wahrscheinlich einige Presseorgane in der Bundesrepublik - aber nun sogar in deren Jahresbericht als "linksextremistische Gruppierung" genannt, was die Erreichbarkeit und Verbreitung ihrer Inhalte stark behindert und die wirtschaftlichen Grundlagen des Verlags bedroht.
Dagegen wehrt sich die Redaktion mit einer Klage.
Tageszeitung junge Welt wehrt sich gegen Beobachtung durch Verfassungsschutz.
Klage gegen Bundesrepublik Deutschland eingereicht
Pressemitteilung, Fr., 10.9.2021, 11 Uhr: Berlin. Die Verlag 8. Mai GmbH, in der die überregionale Tageszeitung junge Welt erscheint, hat Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland eingereicht. Dies teilt die Zeitung in ihrer Wochenendausgabe (11./12.9.2021) mit. Klage und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung richten sich gegen die Erwähnung in den jährlichen Berichten des Bundesamtes für Verfassungsschutz seit 1998. Verlag und Zeitung werden seitdem, mit wenigen Jahren Unterbrechung, als "linksextremistische Gruppierungen" eingestuft.
Der linke, aber unabhängige Verlag 8. Mai sieht in der geheimdienstlichen Beobachtung und Kriminalisierung ihrer Presseerzeugnisse einen erheblichen Angriff auf ihre Grundrechte, insbesondere auf Pressefreiheit, Berufsfreiheit und allgemeines Persönlichkeitsrecht. Dies führt zu Einschränkungen im Bereich Marketing (z. B. Werbeboykott), in der Verfügbarkeit der Zeitung (z. B. Sperrung der Webseite jungewelt.de) sowie Auslistungen im Einzelhandel und Behinderungen der redaktionellen Arbeit. Die Erwähnungen im Verfassungsschutzbericht stellten erhebliche Beeinträchtigungen der redaktionellen Arbeit und im Wettbewerb dar, erklärt Chefredakteur Stefan Huth: Der Verfassungsschutz verletze "in unverantwortlicher Weise das Grundgesetz, indem die Tageszeitung massiv in der Ausübung ihrer demokratischen Rechte behindert" werde, so Huth. "Die Rechtswidrigkeit dieses Vorgehens wollen wir nun feststellen lassen."
Im März 2021 hatten sich Redaktion und Verlag mit einem offenen Brief an alle Fraktionen im Deutschen Bundestag gewandt. Sie wiesen auf "erhebliche Nachteile im Wettbewerb" hin, die der jungen Welt aus der geheimdienstlichen Nennung erwachsen. Als Reaktion auf den offenen Brief stellte die Bundestagsfraktion der Partei Die Linke eine Kleine Anfrage (BT-Drucksache 19/28956) an die Bundesregierung, um sich nach den Gründen für dieses Vorgehen zu erkundigen. Das Bundesinnenministerium, für Beobachtung und Nennung der Zeitung und des Verlages im Verfassungsschutzbericht verantwortlich, antwortete im Namen der Bundesregierung. Das Vorgehen gegen die junge Welt wird mit deren weltanschaulichen Orientierung begründet.
In der Klageschrift wird verlangt, dass jede weitere Verbreitung der Verfassungsschutzberichte, in denen diskriminierende Passagen über Verlag und Redaktion enthalten sind, unterlassen wird. Es wird zudem eine Richtigstellung und Anerkenntnis der Rechtswidrigkeit des bisherigen Vorgehens verlangt. Auf dem Wege einer einstweiligen Verfügung soll eine weitere Verbreitung bis zur endgültigen Gerichtsentscheidung unterbunden werden. Prozessbevollmächtigt für den Verlag ist die Rechtsanwältin Anja Heinrich aus Berlin.
Verlag 8. Mai GmbH
Tageszeitung "junge Welt"
Torstraße 6, 10119 Berlin
Wie wichtig die Berichterstattung der "Jungen Welt" in Zeiten der Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit ist, wird schon in der Ausgabe von gestern deutlich, in der die "neue Cyberstrategie" der Bundesrepublik untersucht wird. Auch hier geht neben der wirklichen Abwehr von Cyberangriffen darum, mißliebige Äußerungen im Internet kontrollieren und ahnden zu können.
Restriktiv im "Cyberraum" - Noch mehr Überwachung und zentralisierte Kompetenzen
Die Leitlinien werden in 44 "strategischen Zielen" ausformuliert, was bei genauer Betrachtung auf ein Sammelsurium für noch mehr Überwachung und zentralisierte Kompetenzen hinausläuft. Dazu soll das Bundeskriminalamt seine "Strafverfolgung im Cyberraum" intensivieren und zum zentralen Dienstleister auch für die Bundesländer werden - was mal wieder die Kompetenzen der Länderpolizeibehörden einschränkt.
Ein Kernpunkt liegt in dem Ausspionieren sicherer Kommunikation. Die "Junge Welt" schreibt:
Maßnahmen gegen sichere Kommunikation
Damit Polizeien und Geheimdienste auch bei Messengerdiensten mitlesen können, sollen Anbieter wie Signal, Telegram oder Whats-App ihre Verschlüsselung schwächen und Inhalte auf Anforderung herausgeben. Schließlich regelt das Dokument auch das Ausnutzen fehlerhafter Software. Für den Einsatz von Staatstrojanern benötigen die Behörden sogenannte Zero-Day-Schwachstellen, die dann als Hintertür zu Rechnern oder Telefonen von Zielpersonen fungieren. Erstmals beschreitet die "Cybersicherheitsstrategie" hierzu einen bundesweit einheitlichen Ansatz ...
Abgesehen von dem Irrsinn Zero-Day-Schwachstellen auszunutzen, anstatt sie schnellstmöglich zu veröffentlichen und schließen zu lassen, denn auch die staatliche Software besitzt solche Schwachstellen, mal ganz abgesehen von den Schäden, die bei Wirtschaftsunternehmen dadurch auftreten können - dieses ganze Szenario kann nur in einen Polizei- und Überwachungsstaat führen.
Mehr dazu bei https://www.jungewelt.de/offener_brief
und https://www.jungewelt.de/artikel/410030.%C3%BCberwachung-restriktiv-im-cyberraum.html
Kommentar: RE: 20210911 Tageszeitung klagt gegen Bundesrepublik
Ob und inwiefern die redaktionelle Arbeit und Vermarktung des Papiers durch die Einstufung als linksextrem behindert wird, ist eigentlich unerheblich. Genauso wie rechtsextreme Inhalte in ihrer Verbreitung eingeschränkt werden sollten, sollten auch linksextreme Inhalte eingeschränkt werden.
Viel wichtiger ist hingegen, was die Gründe für diese Einstufung sind und inwiefern sie gerechtfertigt sind. Nur wenn dieses Blatt die Kriterien für ein linksextremistisches Medium nicht oder unzureichend erfüllt, oder wenn die Kriterien mangelhaft sind, ist eine Neubewertung erforderlich und ggf. ein Beenden der Maßnahmen gerechtfertigt.
Meinungs- und Pressefreiheit sind gut und wichtig, aber sie haben auch ihre Grenzen. Und die liegen in einer gemäßigten demokratischen Gesellschaft dort, wo die Extreme anfangen.
Fr., 11.09.21 16:50
RE: 20210911 Tageszeitung klagt gegen Bundesrepublik
Ja so ist das mit der im Grundgesetz garantierten Meinungs- und Pressefreiheit. Für mich klingt es aber sehr eigenartig, dass wir in einer "gemäßigten demokratischen Gesellschaft" leben. Was bedeutet das?
Heißt "gemäßigt": keinen Extremismus oder keine Diktatur und der Verfassungsschutz passt da auf? Ich kenne einige Menschen, die die /JW/ sogar zur Lügenpresse zählen. Aber ich stimme eher mit dem Werbeslogan der /JW/ überein: "/Sie lügen wie gedruckt, wir drucken wie sie lügen/".
Für mich ist die /JW /eine Zeitung mit Format und klarer Haltung. Das mag einigen Menschen nicht gefallen. Ich halte die inzwischen schon Jahre andauernde Überwachung der JW durch den sogenannten Verfassungsschutz sprich BND für einen Eingriff in die vom Grundgesetz geschützte Pressefreiheit. Deshalb ist es an der Zeit für eine Klage. Es gibt eine Schrift von Otto Köhler zu 70 Jahre Grundgesetz "Wer ist hier Verfassungsfeind". Gibt es jetzt schon in 2. Auflage. Kann ich nur empfehlen. Wirklich lesenswert.
T., 12.09.21 13:07
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