24.04.2014 Über Hundert italienische Soldaten an Uranmunition gestorben

... und ein Brief an Verteidigungsmministerin Ursula von der Leyen

Die EUROMIL, sozusagen die "Gewerkschaft" der europäischen Soldaten, veröffentlichte am 22.03.2007, dass bis zu diesem Zeitpunkt 109 italienische Soldaten, die 2003 im Irakkrieg (und anderswo z.B. jm Kosovo) eingesetzt waren, an den Folgen des Einsatzes von Uranmunition verstorben sind. Das sind 3,6% der 3000 im Irak eingesetzten italienischen Soldaten.

Diese Tatsache erwähnt auch der Fernsehjournalist und Filmemacher Frieder Wagner in seinem Brief an Verteidigungsmministerin Ursula von der Leyen den wir hier dokumentieren - dies auch, weil er darin sehr detailliert auf den Tod (durch Uranmunition) eines Bundeswehrsoldaten eingeht. Frieder Wagner ist Grimme-Preisträger 1981/82 und Träger des Europäischen Fernsehpreises 2004.


 

 Sehr geehrte Frau Verteidigungsministerin Dr. von der Leyen,
mein Name ist Frieder Wagner, ich bin Fernsehjournalist und Filmemacher. In den letzten 15 Jahren habe ich mich sehr intensiv mit dem Einsatz von Uranmunition und -bomben und deren Folgen beschäftigt. Dabei habe ich mit fast all Ihren Vorgängern im Amt korrespondiert. Ich wurde in dieser Zeit auch zweimal vom Auswärtigen Amt zu Gesprächen eingeladen, die unter dem Thema „Einsatz von Uranmunition und die Folgen“ stattfanden, das war 2008 und 2010 gewesen. Ich habe ein Buch herausgegeben unter dem Titel: „Uranbomben – die verheimlichte Massenvernichtungswaffe“ und bin da auch Koautor. Ich habe zwei Filme über Uranmunition hergestellt. Einen für das Fernsehen (WDR) unter dem Titel: „Der Arzt und die verstrahlten Kinder von Basra“ und einen für das Kino mit dem Titel: „Deadly Dust – Todesstaub“, die man beide inzwischen auch im Internet finden kann.

 

 Ich schreibe Ihnen heute nicht nur als verantwortliche Ministerin, sondern weil Sie auch Ärztin und Mutter sind. Wie Sie wissen, ist die Uranmunition von den USA und ihren Alliierten in den Kriegen in Bosnien 1995, in Jugoslawien und im Kosovo 1999, im Irak 1991 und 2003 und in Afghanistan seit 2001 bis heute eingesetzt worden. Seit den jeweiligen Kriegen ist die Bundeswehr im Kosovo und in Afghanistan im Einsatz. In den letzten Jahren haben sich immer wieder an Krebs erkrankte Soldaten an mich gewendet mit der Bitte, ob ich ihnen helfen könnte zu beweisen, ob ihre Krankheit womöglich durch Uranmunition hervorgerufen wurde. Leider sind die meisten Männer so schnell an den Folgen ihrer Erkrankungen gestorben, dass ich ihnen nicht helfen konnte.

 

Die EUROMIL (sozusagen die Gewerkschaft der europäischen Soldaten) veröffentlichte am 22.03.2007, dass bis zu diesem Zeitpunkt 109 italienische Soldaten, die 2003 im Irakkrieg (und anderswo z.B. jm Kosovo) eingesetzt waren, an den Folgen des Einsatzes von Uranmunition verstorben sind. Das sind 3,6% der 3000 im Irak eingesetzten italienischen Soldaten. Rechnet man diese Prozentzahl auf die irakische Bevölkerung hoch (ca. 31 Millionen Einwohner), wären das 1.116.000 zu erwartende Tote im Irak durch den Einsatz dieser Munition in zwei Kriegen. Da die italienischen Soldaten aber nur kurze Zeit dort im Einsatz waren, die irakische Bevölkerung aber immer dort lebt, ist zu befürchten, dass die Zahl der Toten über einen längeren Zeitraum gerechnet, viel höher sein wird – ein wahrer Genozid dann also.

 

 Die „Deutsche Sektion der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges/Ärzte in sozialer Verantwortung e.V.“ (IPPNW) haben im Dezember 2012 einen IPPNW-Report zu den „Gesundheitlichen Folgen von Uranmunition“ heraus gegeben. Dort können Sie lesen, dass von den 109 italienischen Familien, die tote Soldaten zu beklagen haben und die an aggressiven Krebsarten und Leukämien gestorben sind, 16 Familien das italienische Verteidigungsministerium verklagt haben, weil diese Soldaten nachweislich an den Folgen des Einsatzes von Uranmunition erkrankt sind und das italienische Verteidigungsministerium es versäumt hat, seine Soldaten richtig zu schützen und über die Gefahren aufzuklären. Alle 16 Familien haben diese Prozesse am Ende gewonnen und das italienische Verteidigungsministerium wurde dazu verurteilt, an die klagenden Familien Entschädigungs-Summen zwischen 200.000 und 1.4 Millionen Euro zu zahlen.

 

 Das deutsche Verteidigungsministerium behauptet bis heute, es gäbe keine deutschen Soldaten, die mit Uranmunition in Berührung gekommen sind und dadurch erkrankt wären. Die Bundeswehr sagt auch, sie hätte Uranwaffen selbst nie eingesetzt und getestet. Das stimmt beides so nicht, denn das zeigt folgende Tatsache:

 

Im August 1983 hat die Bundeswehr, unter strengster Geheimhaltung, selbst Tests mit Uranwaffen durchgeführt. Während die Öffentlichkeit durch Proteste gegen die Stationierung von Pershing-Raketen abgelenkt war, verschoss die Bundeswehr damals Urangranaten mitten in Deutschland auf dem Truppenübungsplatz Munster. Dabei handelte es sich nicht um die heute verwendete Munition aus abgereichertem Uran, nein, in den Granaten sind damals abgebrannte Brennelemente aus Kernkraftwerken verarbeitet worden! Wegen der hohen Geheimhaltungsstufe wurden für die beteiligten Soldaten bei diesen Tests - kaum zu glauben - keinerlei Schutzmaßnahmen getroffen. Einer dieser Soldaten war der 21-jährige Panzerschütze Erich Schempp. Er war 1982/83 beim Panzerbataillon 284 in Dornstadt bei Ulm stationiert gewesen. Im Sommer 1983 war er per Telegramm aus dem Urlaub nach Munster zu diesen Tests beordert worden. Zwei Jahre später war der vorher kerngesunde junge Mann an Krebs erkrankt und klagte seitdem auf Wehrdienstentschädigung.

 

 Dem Gericht hatte er folgende Beweise vorgelegt: Die Namen und Adressen von sechs Kameraden, die bei den Tests dabei waren. Mehrere dieser Soldaten hatten von den Tests Granathülsen mit nach Hause genommen, auch Erich Schempp. Fünf dieser Hülsen existieren noch. Drei Hülsen wurden mittels Massenspektroanalyse untersucht. Von den beiden übrigen liegen die Nummern vor. Außerdem wurden bei Schempp eine Urin- und eine Haaranalyse durchgeführt. Beide Untersuchungen waren positiv. Sowohl in den Granathülsen, als auch bei Erich Schempp wurden Spuren von Uran, Plutonium und Uran 236 festgestellt. Da Uran 236 in der Natur nicht vorkommt und nur bei der Wiederaufbereitung von atomaren Brennstäben entsteht, müssen die Granaten mit 100-prozentiger Sicherheit auch Material aus abgebrannten Brennelementen enthalten haben, in denen sich immer auch Reste von Plutonium befinden.

 

 Das zuständige Sozialgericht hatte am 27. Juni 2007 die Klage von Erich Schempp abgewiesen. Dabei stützte sich das Gericht auf die Aussage des Wehrtechnischen Dienstes (WTD) der Bundeswehr, dass es sich bei der Hülse um ein niederländisches Fabrikat gehandelt habe. Diese Aussage des WTD ist allerdings völlig unsinnig, da auf jeder dieser Hülsen mehrere Nummern zu entziffern sind. Nur eine dieser Nummern ist niederländischen Ursprungs. Die übrigen Nummern sind Bezeichnungen der Firmen Rheinmetall, Dynamit Nobel und Diehl Nürnberg. Trotzdem lehnte das Gericht die Klage ab und empfahl eine Klagerücknahme, weil die Geschosse niederländischen Ursprungs gewesen seien und die Bundeswehr anhand der vorliegenden Nummernlisten versichert hat, dass sie nie niederländische Munition verwendet hat. Deshalb empfahl auch das Landessozialgericht (LSG) eine Klagerücknahme.

 

 Das Landessozialgericht, immerhin die letzte Instanz, die Beweise ermittelt, lehnte alle Beweisanträge ab und führte auch selbst keine neuen Ermittlungen durch. Keiner der Zeugen der Anklage wurde vernommen. Diese hätten nicht nur die Tests bestätigen können, sondern auch, woher die Hülsen stammten. Das Gericht lehnte es auch ab, sich von der Bundeswehr oder den beteiligten Firmen Listen der Nummern vorlegen zu lassen. Die Universität Frankfurt hatte zwei Hülsen und eine Urinprobe von Erich Schempp untersucht. Das Ergebnis: Sowohl die Hülsen als auch die Urinprobe enthielten Uran, Plutonium und Uran 236. Das Gericht hatte jedoch kein Interesse an den Gutachten. Dem Gericht wurde Prof. Albrecht Schott aus Berlin, als Gutachter vorgeschlagen. Prof. Schott hatte bei mehreren britischen Golfkriegsveteranen nachgewiesen, dass ihre Chromosomenschäden durch DU-Munition verursacht worden waren. Das Gericht lehnte jedoch die Bestellung von Prof. Schott als Gutachter ab.

 

 Eine erneute Verhandlung vor dem Landessozialgericht am 20. November 2008 endete dann aber mit einer faustdicken Überraschung. Die Berichterstatterin hatte eine Klagerücknahme angeregt, da die Hülse niederländischer Herkunft gewesen sei und die Bundeswehr nie mit niederländischer Munition geschossen habe. Diese Aussage hatte Erich Schempp schon seit Jahren als völlig unsinnig bezeichnet, da die Hülsen ja mehrfach verwendet wurden und auf den Hülsen, wie bekannt, auch mehrere Nummern deutscher Hersteller eingraviert waren. Beide Gerichtsinstanzen hatten es bisher versäumt, seine Angaben zu überprüfen. Die Überprüfung der Hülse in der erneuten Verhandlung bestätigte jedoch seine Aussagen eindeutig. Das Gericht war der Ansicht, dass der Bundeswehrexperte das Gericht bewusst getäuscht hat, da für jeden Laien eindeutig erkennbar ist, dass es sich um deutsche Munition gehandelt hat. Damit war auch die Bundesregierung blamiert, die sich ebenfalls auf diese Aussage gestützt hatte. Das Gericht der ersten Instanz wurde verpflichtet völlig neu zu ermitteln. Das sollte jedoch wieder Jahre dauern. Dabei wäre eine schnelle Aufklärung wichtig gewesen, da auf dem kontaminierten Übungsplatz in Munster immer noch Soldaten üben und auch die Zivilbevölkerung gefährdet ist.

 

 Inzwischen ist Erich Schempp im Dezember 2011 im Alter von nur 49 Jahren seinem Krebsleiden erlegen. Die Bundeswehr wird zukünftig - meiner Befürchtung nach - eine Aufklärung ähnlicher Fälle wohl ebenfalls behindern und damit Menschenleben gefährden – für mich unfassbar.

 

 Ich möchte Ihnen Frau Ministerin an dieser Stelle noch einen anderen Fall schildern und ans Herz legen, der Sie auch als Ärztin und Mutter interessieren wird:

 

Es geht um den Hauptgefreiten der Bundeswehr André Horn, geboren am 10.11.1976 in Altdöbern, Personenkennzahl: 101176 H 70412, verstorben am 31.01. 2000 also mit 24 Jahren im Feldlazarett Prizren/Kosovo unter seltsamen Umständen. Gestorben sei er nach pathologischer Untersuchung an einer Meningokokkensepsis unter dem Bild eines Waterhouse-Friedrichsen-Syndroms.

 

 Fakt ist: André Horn war vor seinem Tod über Monate immer wieder krank gewesen und wurde von den jeweiligen Truppenärzten wegen Erkältungssymptomen behandelt, oft auch als Simulant bezeichnet. Als André Horn am 31.12.99 bei OSA Dr. Hennig Schulz war, diagnostizierte der "eine untypische Lungenentzündung mit akuter Luftnot und massivem Brödeln über allen Lungenabschnitten". Und diagnostizierte:

 

 

 Deshalb wollte der Arzt den jungen Soldaten eigentlich in ein deutsches Krankenhaus nach Berlin oder Hamburg ausfliegen lassen mit dem gewünschten Rückflugdatum 01.02. 2000, wie es in der Lufttransport-Anforderung steht. Warum dieses Ausfliegen dann nicht zustande kam, entzieht sich meiner Kenntnis. Stattdessen wurde der Soldat "im Krankenhaus stationär aufgenommen", heißt es auf dem Blatt der Lufttransport-Anforderung unter E. Dort hat man ihn wohl mit Antibiotika oder wie auch immer, einigermaßen wieder hergestellt.

 

Aus dem Krankenbericht geht hervor, dass das die 2 Tage sind, in denen er wegen gastrointestinaler Beschwerden auf der inneren Station lag, und die in dem Bericht zum Tode von Dr. Patschke vom 1.2.2000 erwähnt werden.

 

 André Horn hatte in der Nacht zum 31.01. 2000 Fieber und Schüttelfrost und hat sich zweimal erbrochen. Am Morgen des 31.01. 2000 ging er um 7 Uhr noch selbst und ohne Hilfe zum Truppenarzt und wurde um 8:30 Uhr im Feldlazarett Prizren aufgenommen und auf die innere Station eingewiesen. Dort wurde er auf gastrointestinale Beschwerden behandelt. Der Patient hatte da 38,5 ° Fieber, keinen Meningismus. Der Patient bekam Paracetamol 1000, Tee und Zwieback. In dem ärztlichen Bericht zur Todesursache heißt es in einem Brief an die Deutsche Beamten-Versicherungs AG vom 24.02.2000:

 


Wenn der Leiter der Pathologie des Bundeswehrkrankenhauses Ulm, Herr OFA Dr. Kraft, nachdem er den Leichnam von André Horn untersucht hatte, in seinem pathologischen Befund schreibt, dass der Soldat an einer Meningokokkensepsis unter dem Bild eines Waterhouse-Friedrichsen-Syndroms verstorben sei, stützt er sich dabei darauf, dass er ein "ausgeprägtes meningeales Hirnödem" vorgefunden habe und schreibt dann aber weiter: "In der Gram-Färbung gelingt kein Meningokokkennachweis“!

 

Wenn der Pathologe aus der Krankenakte André Horn`s keinen Hinweis auf eine Immunschwäche des Verstorbenen gefunden hatte und er dann im Gehirn des Toten ein "meningeales Ödem" findet, konnte er als Todesursache tatsächlich auf eine Meningokokken-Sepsis schließen. Dass er dann aber selbst verunsichert war, spiegelt sich in seiner "epikritischen Stellungnahme" wieder. Dort schreibt er:

 

"Das Krankheitsbild einer Meningokokken-Sepsis impliziert nicht dass die Erkrankung mit den klinischen Symptomen einer Meningitis (e.g. Nackensteifheit) in Erscheinung tritt. Sehr häufig werden neben allgemeiner Abgeschlagenheit nach Art eines banalen grippalen Infektes abdominelle Schmerzen oder Krämpfe beobachtet, so dass das Krankheitsbild häufig zuerst als gastrointestinaler Infekt diagnostiziert und therapiert wird", heißt es in der Krankenakte der Bundeswehr.

 

 Aber auch das Krankheitsbild einer Pneumozystose wird im Anfangsstadium oft nur als einfache Erkältung, grippaler Infekt oder eine Bronchitis angesehen. 

 

 Damit komme ich zu einem Gutachten von Herrn Prof. Dr. Dr. med. habil. Siegwart-Horst Günther, das er schon am 01.09.2008 geschrieben hat und das damals dem Verteidigungsministerium vorgelegt wurde, um eine Exhumierung des Soldaten André Horn zu erreichen, damit die Eltern des Verstorbenen endlich die wahre Todesursache erfahren.

 

Denn Prof. Günther kommt in seinem Gutachten zu dem Schluss, dass André Horn nicht an einer Meningokokken-Sepsis verstorben ist. Er geht vielmehr davon aus, dass weil André Horn Fahrzeuge reparieren musste, die ständig in der Region um Prizren unterwegs waren und das exakt ein Gebiet ist, dass nach Nato-Berichten besonders stark durch Uranmunition und -bomben der Alliierten betroffen ist, diese Fahrzeuge, die der Soldat als Kfz-Mechaniker reparieren musste, mit Sicherheit auch mit Uranstaub bedeckt und kontaminiert waren.

 

 Es ist heute wissenschaftlich unstrittig bewiesen, dass die nach dem Einsatz von Uranmunition zu Uranoxid verbrannten Nanopartikel-Schwebestoffe (hundertmal kleiner als ein rotes Blutkörperchen), wenn sie eingeatmet werden oder auch über kleine offene Wunden in den Körper eindringen oder mit der Nahrung aufgenommen werden, folgende Krankheitsbilder hervorrufen können, auf die Prof. Günther seit 1992 als Arzt und Wissenschaftler immer wieder hingewiesen hat:

 

 

 Prof. Günther schreibt in diesem Gutachten zusammenfassend:
„Da die Aufnahme von Uranoxid-Partikelchen neben den verschiedensten Erkrankungen auch zu einer Immunsystemschädigung führt, bin ich nach dem intensiven Studium der Krankenakte des Soldaten Horn zu dem Ergebnis gekommen, dass der junge Soldat mit Sicherheit an einer Pneumozystose erkrankt war. Er hatte, wie auch immer, die Uranpartikelchen in der Region Prizren, wo Uranwaffen eingesetzt worden waren, aufgenommen. So kam es als Folge bei ihm, nach und nach, zu einer immer stärkeren Schwächung des Immunsystems und so zu einer Pneumozystose. Um zu beweisen, dass er z.B. beim Reparieren von Staub bedeckten Panzerfahrzeugen und anderer Fahrzeuge solche Uranpartikelchen aufgenommen hat, muss man eine Exhumierung durchführen. Denn wenn der Soldat Uran aufgenommen hat, kann man dies heute noch in seinen Skelettknochen durch eine Massenspektroanalyse eindeutig nachweisen.“

 

 In seiner Verzweiflung hatte der Vater des Soldaten Verteidigungsminister Freiherr zu Guttenberg wegen einer Exhumierung angeschrieben. Der hat den Vater zu einem persönlichen Gespräch empfangen und war nach einer Stunde so beeindruckt, dass er dem Vater versprochen hatte, eine zufriedenstellende Lösung zu finden. Das war leider kurz vor dem Rücktritt des Ministers. Deshalb hat sich der Vater im Mai 2011 an Ihren Vorgänger, Minister Thomas de Maizière gewandt. Der hat ihm geschrieben, dass er die Todesumstände des Sohnes André Horn noch einmal hat „umfassend prüfen lassen“ und schrieb dem Vater dann weiter:

 

„Nach dieser eingehenden Untersuchung liegen keinerlei Hinweise dafür vor, dass Ihr Sohn André einer gesundheitlich relevanten Belastung mit abgereichertem Uran ausgesetzt war, die zu seinem Tod geführt haben könnte. Aus einer Exhumierung und Sektion des Leichnams Ihres Sohnes sind nach wissenschaftlichen Maßstäben weitergehende Erkenntnisse nicht zu erwarten. Bitte haben Sie deshalb Verständnis dafür, dass die Bundeswehr angesichts dieser Sachlage nicht die Kosten einer Exhumierung übernehmen wird.“

 

 Inzwischen hat der Geochemiker Prof. Dr. Peter Horn die Bartstoppeln des Soldaten Horn, die in seinem Rasierapparat sicher gestellt werden konnten, massenspektrometrisch von einem schwedischen neutralen Institut untersuchen lassen und folgendes höchst überraschendes Analysenergebnis festgestellt:

 

„Als Nebenergebnis der Uran-Analytik wurde festgestellt und auch explizit darauf hingewiesen, dass die Bleikonzentration in den Barthaaren von Soldat André H. ungewöhnlich hoch sind, und sich aus der Menge des 208Pb in der Haarsubstanz zu etwa 276 ppm Gesamtblei abschätzen lässt (ppm = Mikrogramm pro Gramm Haar) und damit in einem Konz.-Bereich liegt, wie er auch in Haaren von beruflich Blei-exponierten Menschen angetroffen wird - oder in Haaren von Menschen, welche in Gebieten leben, in denen extreme Kontaminationen der Umwelt mit Blei und typischen Begleitelementen vorliegen.” (wie z. B. im Kosovo)

 

 Und Prof. Horn fährt dann in seinem Gutachten auf Seite 3, unten fort, Zitat:

 

„Die vorgefundene Pb-Konzentration im Staub aus/in/an den Ausrüstungsgegenständen und bes. die im Haar von André H. sind ungewöhnlich hoch und liegen - nach aller Kenntnis - im Bereich potentiell gesundheitsgefährdender Werte!! Das geht letztendlich darauf zurück, dass - nach einschlägigen Untersuchungen solcher Proben aus dem Kosovo - große Anteile des dort in der Umwelt ubiquitären Bleis und der weiteren Schwermetalle, biologisch verfügbar sind und auf vielfachen Pfaden, wie etwa via Aspiration, Getränke und Nahrung, in menschliche Gewebe gelangen (ENHIS, 2007; Frese et al. 2004; WHO, 2005).“

 

Und dann stellt Prof. Horn die Frage, ob der Tod des André Horn durch DU (abgereichertes Uran, das auch ein Schwermetall ist) oder durch ein anderes Schwermetall verursacht wurde, Seite 5, Mitte, Zitat:

 

“Nach den umfangreichen Arbeiten von Al-Sabbak et al. (2012), und vielen weiteren Publikationen zum Thema - sind die Symptome der Erkrankungen nach Schwermetallvergiftungen und den darauf zurückgehenden Todesfällen praktisch kaum von denen zu unterscheiden, welche bei effektiver Vergiftung mit DU auftreten (sofern keine adäquaten massenspektrometrischen Analysen vorgenommen werden, mit denen man sehr wohl DU von “Gewöhnlichem Uran”, bzw. Schwermetallen, unterscheiden könnte - wenn man es denn wirklich wollte.  Bisher vorgenommene Versuche, die Anwesenheit von DU mittels radiometrischer screening-Techniken zu bestimmen, sind ganz sicher inadäquat. Dazu müssten - und wie es ja auch allgemein bekannt ist - empfindliche massenspektrometrische Techniken (ICP-SFMS, TIMS, u.ä.) angewandt werden. Derartige Analysen werden - nach dem, was man aus der wissenschaftlichen Literatur entnehmen kann (z.B. Rummel et al., 2007) - zwar gemacht, aber die Ergebnisse werden dann nicht weiter verfolgt. 

 

Und Prof. Horn schreibt dann weiter und fragt: Woran ist André H. gestorben, und Thomas O. erkrankt? Hiermit schlage ich vor, dass die Verfahren und Untersuchungen wieder aufgenommen werden. Um eine “saubere” und unabhängige wissenschaftliche Bearbeitung der anstehenden Probleme (Exhumierung von André H. und Analyse sorgfältig ausgewählter Körpergewebe von A.H. zu gewährleisten), empfehle ich, unabhängige Institutionen mit der Analytik zu beauftragen. Auch bei der Exhumierung sollten kompetente und unabhängige Wissenschaftler beteiligt werden, welche ich Ihnen (mit Adressen) auf Anfrage gerne nenne.

 

Nach meiner einschlägigen Kenntnis und Erfahrung ist die Vermutung von Herrn Horn, dass sein Sohn, André H., an DU oder SM gestorben sein könnte durchaus nachvollziehbar und es ist dringend notwendig (nicht nur für die Eltern von A.H. und für die weiteren Erkrankten, wie etwa T.O., oder für Soldatenfrauen, welche mißgebildete Kinder geboren haben), dass von Seiten der Bundeswehr endlich den tatsächlichen Ursachen für Tode, Krankheiten und Mißbildungen ihrer Soldaten und deren Nachkommen nachgegangen wird.”

 

 Und Prof. Horn erinnert daran, dass umfangreiche Ermittlungen des BMVg ergeben hätten, dass André Horn und seine Kameraden keiner beiläufigen Exponierung von abgereichertem Uran ausgesetzt worden sein könnten, und fragt sich, ob bei den umfangreichen Ermittlungen keine einschlägige Literatur gelesen wurde.

 

Und er gibt zu bedenken, dass nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft im Kosovo von der NATO Geschosse mit DU weiträumig eingesetzt wurden. Und gibt zu bedenken: “Woher kann das BMVg wissen, dass dort, wo sich Herr André Horn aufhielt, kein DU niederging?” DU-Oxide aus den Irak-Kriegen verwehte es bis nach London! Und er meint dann Zitat: “Es ergibt sich die dringende Frage, warum im Kosovo - benachbart zu den Deutschen - stationierte Italiener an DU-Folgen verstorben und erkrankt sind, die Deutschen aber nicht....!?”

 

 In dem Gutachten fährt Prof. Horn dann auf Seite 5, im unteren Drittel fort, Zitat: “Wir haben keine Beweise für allfälliges DU im Körper von André H. (weil ja eine Exhumierung vom BMVg abgelehnt wurde!). Da nun aber die Folgen einer Kontamination der Haare von A.H. mit Blei (und höchstwahrscheinlich mit weiteren Schwermetallen) nachgewiesen ist, und die durch DU und SM hervorgerufenen Krankheitsbilder nicht sehr unterschiedlich sind, fragt sich jeder vernünftige Mensch, wie das BMVg dazu kommt zu sagen, dass er auch nicht mit Blei kontaminiert sei?! Nur weil das BMVg behauptet, dass keine deutschen Soldatinnen und Soldaten ungebührlicher Exponierung mit Blei ausgesetzt sind/waren - wo doch die ganze Kosovo-Umwelt mit Blei- und SM- veseucht ist...!?!; und zwar mit Blei und SM aus lokalem Bergbau und Erzverhüttung - nicht mit Geschossblei, etc.!”

 

Was der Bundeswehr auch bekannt ist und wir es aus dem “Leitfaden für Bundeswehrkontingente im Kosovo” in der Anlage ersehen können.

 

 Und Prof. Horn schließt sein Gutachten mit der Forderung, Zitat:

 

“Das einfachste wäre es also, am exhumierten Körper von André H. nach Blei und SM zu suchen. Falls kein Blei und andere SM in den Geweben gefunden werden, hätte das BMVg die Frage zur Zufriedenheit aller Beteiligten gelöst!; wenn doch etwas gefunden würde (DU oder SM), könnte dies dazu beitragen, zukünftig solche Belastungen zu vemeiden. Ich möchte deshalb hiermit nochmals beantragen, die Überreste von Herrn Andre Horn zu exhumieren, so dass daran Untersuchungen zum Vorhandensein oder dem Fehlen von erhöhtem U- und SM- Elementen vorgenommen werden können.”

 

 Da das BMVg unter de Maizière darauf nicht weiter reagierte, hat sich der Vater im Oktober 2013 entschlossen gegen ihn und alle Minister vor ihm bis Rudolf Scharping Strafanzeige zu erstatten und zwar wegen:

 

 

Da die zunächst zuständig Staatsanwaltschaft Cottbus verfolgungswürdige Fakten in der Strafanzeige gefunden hat, wurde, weil de Maizière Immunität geniest, das Verfahren an die Staatsanwaltschaft Berlin-Moabit weiter gereicht. Und da stehen wir nun.

 

 In der Strafanzeige schreibt der Vater gegen Ende verbittert, aber zurecht: „Die verantwortlichen Offiziere und auch die behandelnden Ärzte der Bundeswehr haben die furchtbaren Gefahrenrisiken der Uranmunition im Januar 2000 in keiner Weise begriffen oder aber auf die leichte Schulter genommen – leider. Als Vater habe ich aber das Recht die wahre Todesursache meines Sohnes zu erfahren. Zwölf Jahre lang in dieser Sache herum zu lavieren, wird von uns Eltern als Folter durch den Staat empfunden. Mein Sohn ging für unser Land und unsere Regierung in diese Kriegsgebiete und wir Eltern werden jetzt von unser Regierung allein gelassen.“

 

Und ein Stabsunteroffizier, der zur gleichen Zeit im Kosovo war wie André Horn und dort dessen Tod mitbekommen hat, ist in der Zwischenzeit selbst an Krebs erkrankt und operiert worden und klagt vor einem Sozialgericht, wie Erich Schempp schon vor Jahren. Es hat sich also nicht viel bei der Bundeswehr verändert. In einer Mail schreibt dieser Soldat enttäuscht:

 

„Was bleibt, sind die gesundheitlichen Folgen, mit denen ich nun leben muss und die Enttäuschung über die mangelnde Fürsorge meines Dienstherrn, der meine Kameraden und mich fahrlässig oder gar wissentlich diesen gesundheitlichen Gefahren ausgesetzt hat und jetzt noch nicht mal den Anstand besitzt, sich seiner Verantwortung für den eingetretenen Schaden zu stellen, so dass ich nun vor einem Sozialgericht klagen muss und befürchte, auch dort im Stich gelassen zu werden. Auch die Rechtsstaatlichkeit hat Grenzen und zwar dort, wo macht- u. finanzpolitische Interessen Vorrang haben vor den Grundrechten der Bürger und Politiker nicht die Courage zu unpopulären Entscheidungen.“

 

 Frau Ministerin handeln Sie endlich, auch als Frau und Mutter. Finanzieren Sie diese Exhumierung um endlich Klarheit zu schaffen. Die Kosten dafür sind Peanuts im Vergleich zu anderen Kosten. Ihre Soldaten/Innen werden es Ihnen danken. Deshalb hier noch ein Zitat aus einem Artikel, den am 30.01.2001 - ein Jahr nach dem Tod von André Horn - der Deutsche BundeswehrVerband veröffentlichte mit schweren Vorwürfen gegen das damalige Bundesministerium für Verteidigung:

 

„Die Soldaten erwarten, dass die Verharmlosungspolitik beendet wird. Das Verteidigungsministerium muss dafür sorgen, dass sich dieses Informationsdesaster nicht fortsetzt - auch mit Blick auf mögliche Dienstunfähigkeits - und Wehrdienstbeschädigungsverfahren. Das Beispiel der Radar-strahlengeschädigten Soldaten zeigt, dass möglicherweise durch Uran-Munitionsrückstände geschädigten Soldaten ein jahrelanger Weg durch die Gerichtsinstanzen bevorsteht. Der DBwV fordert eine Beweislastumkehr: Der Dienstgeber muss beweisen, dass es keinen Zusammenhang zwischen dienstlicher Verwendung und Erkrankung gibt!" Zitatende aus dem Bericht-DBwV vom 30.01.2001 von Wilfried Stolze.

 

 Das, Frau Ministerin, wurde vom DBwV vor 13 Jahren geschrieben! Genau so lange kämpft der Vater von André Horn darum die Wahrheit über die Todesursache seines Sohnes zu erfahren.

 

Mit freundlichen Grüssen aus Köln

 

Frieder Wagner
Grimme-Preisträger 1981/82 Europäischer Fernsehpreisträger 2004
 
Mehr dazu bei https://blog.fefe.de/?ts=ada9b777
und der Beitrag von Frieder Wagner in http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=20120

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Tags: #Uranmunition #Kosovo #Tote #Brief #Leyen #SchuleohneMilitaer #Militaer #Drohnen #Friedenserziehung #Menschenrechte
Erstellt: 2014-04-24 06:34:14
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