24.10.2018 Menschenwürdige Behandlung bei Abschiebungen?

Gewaltsame Familientrennung und Fesselung besonders schutzbedürftiger Geflüchteter

Als Mitglied im Flüchtlingsrat Berlin haben wir gestern mit Entsetzen von den Vorgängen bei einer Sammelabschiebung vom Flughafen Schönefeld nach Madrid erfahren. Diese fand bereit im Juni statt und es hat 3 Monate gedauert bis die Einzelheiten an die Öffentlichkeit gelangt sind. Auch das ist ein Skandal an dem auch die begleitenden Polizisten und Ärzte eine Mitverantwortung tragen.

Horror-Sammelabschiebung unter Federführung Berlins - Der Flüchtlingsrat fordert lückenlose Aufklärung

Am 6. Juni 2018 wurden 90 Asylsuchende aus dem gesamten Bundesgebiet von Berlin-Schönefeld nach Madrid abgeschoben, darunter 26 Asylsuchende aus Berlin. Dem Flüchtlingsrat liegen schockierende Berichte von Betroffenen über die Abschiebung vor. Zu den Vorwürfen zählen die zwangsweise Verabreichung sedierender Medikamente, die Fesselung besonders schutzbedürftiger Geflüchteter, gewaltsame Familientrennungen sowie Schläge durch die Polizei.

Durch parlamentarische Anfragen wurde jetzt bekannt, dass die Berliner Ausländerbehörde die Sammelabschiebung federführend organisiert und auch das medizinische Personal für den Abschiebeflug gestellt hat. Der Flüchtlingsrat fordert die Aufklärung der Vorwürfe und fragt: Sieht so der von Rot-Rot-Grün angekündigte Paradigmenwechsel in der Abschiebepolitik aus?

Die Abschiebung erfolgte auf Grundlage der Dublin-Verordnung über die Zuständigkeit der EU-Staaten für das Asylverfahren. Sie wurde von 83 Bundespolizisten sowie vier von der Berliner Ausländerbehörde beauftragten Ärzten und Sanitätern begleitet. Geflüchtete, die an Bord der Abschiebemaschine saßen, haben dem Flüchtlingsrat unter anderem Folgendes berichtet:

  • Ein durch die Berliner Ausländerbehörde beauftragter Arzt verabreichte einem 27-jährigen geistig behinderten Mann aus Berlin gegen dessen Willen und in Abwesenheit des gesetzlichen Betreuers und der Mutter des Mannes, die ebenfalls abgeschoben wurde, ein sedierendes Medikament, woraufhin er völlig weggetreten erschien. Der Arzt erklärte den Mann für flugtauglich, obwohl dieser ein qualifiziertes psychiatrisches Attest mit sich führte, das seine Behinderung und die Reiseunfähigkeit bestätigte.
  • Eine Frau mit mehreren Kleinkindern wurde ohne ihren Ehemann abgeschoben. Weil sie laut schrie und nach ihrem Mann rief, wurde sie gefesselt ins Flugzeug getragen. Ihre kleinen Kinder mussten dies mit ansehen und weinten laut.
  • Eine Frau wurde von Beamtinnen der Bundespolizei vor Abflug gewaltsam bis auf die Unterhose entkleidet und durchsucht. Durch Schläge auf die Schulter erlitt sie ein großes Hämatom, das ihr noch tagelang Schmerzen bereitete.
  • Übereinstimmend berichteten alle Zeuginnen, dass Geflüchtete, die sich nicht hinsetzen wollten, im Flugzeug von den Polizeibeamtinnen geschlagen worden sind, darunter auch eine schwangere Frau.
  • Ein Mann, der noch im Flughafengebäude möglicherweise in suizidaler Absicht versuchte, sich selbst zu verletzen, wurde mit dem Festhaltegurt gefesselt ins Flugzeug gebracht. Unter den Abgeschobenen soll zudem auch eine Frau gewesen sein, deren Handgelenke nach einem Suizidversuch nur notdürftig verbunden waren.
  • Aus Berlin Abgeschobenen wurden die Mobiltelefone durch die Berliner Polizei abgenommen, sie konnten sich keine Rufnummern aus dem Telefon notieren und hatten keine Möglichkeit, Angehörige oder Anwälte zu verständigen. Auf dem Weg zum Flughafen wurden Erwachsene und Kinder von Polizisten ausgelacht, weil sie verzweifelt weinten.

Die Berliner Abgeordnete Bettina Jarasch und die Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke haben mit parlamentarischen Anfragen versucht, die Vorfälle aufzuklären. Die Antworten auf die Anfragen liegen nun vor: Die Bundesregierung räumt ein, dass eine Person in das Flugzeug getragen wurde und fünf Personen mit einem sogenannten Body Cuff gefesselt wurden. Sie bestätigt auch die Trennung von drei Familien durch die Abschiebung sowie die Abschiebung von besonders schutzbedürftigen Asylsuchenden (darunter u.a. 12 Familien mit minderjährigen Kindern -zusammen 41 Personen-, ein Opfer von Folter, neun Personen mit psychischer Traumatisierung, zwei Schwangere und eine Person mit geistiger Behinderung). Nach Auskunft der Berliner Innenverwaltung ist es zur - nicht näher erläuterten - „Ausübung unmittelbaren Zwangs“ gekommen.

Tatsächlich erfährt der Flüchtlingsrat immer wieder von Fesselungen bei Dublin-Abschiebungen durch die Bundespolizei. Auch bei der Verabreichung sedierender Medikamente ohne Einwilligung der Betroffenen scheint es sich nicht um einen Einzelfall zu handeln. Entsprechende Hinweise liegen auch dem Bayerischen Flüchtlingsrat in Zusammenhang mit einer Abschiebung nach Afghanistan am 3. Juli 2018 vor.

„Die Berichte der betroffenen Geflüchteten von der Sammelabschiebung am 6. Juni geben einen alarmierenden Einblick in die ‚Blackbox Abschiebung‘. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit versuchen Behörden mit allen Mitteln, Asylsuchende außer Landes zu schaffen und lassen dabei jede Menschlichkeit außer Acht“, sagt Martina Mauer, Mitarbeiterin des Flüchtlingsrats Berlin. „Besonders erschreckend ist, dass für die brutale Sammelabschiebung am 6. Juni die Ausländerbehörde des rot-rot-grün regierten Berlins die Verantwortung inne hatte. So waren auch die an der Abschiebung beteiligten Ärzte im Auftrag Berlins tätig. Wir fordern den Senat auf, die Vorfälle lückenlos aufzuklären und sein Versprechen aus dem Koalitionsvertrag, eine Wende in der Abschiebepolitik zu vollziehen, endlich in die Realität umzusetzen.“

Flüchtlingsrat Berlin e.V.
Greifswalder Str. 4
10405 Berlin

Mehr dazu bei http://www.fluechtlingsrat-berlin.de/
und https://www.ulla-jelpke.de/2018/10/deutschland-setzt-dublin-abschiebungen-mit-brachialer-gewalt-durch/
und http://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/18/SchrAnfr/S18-16508.pdf
und https://www.ulla-jelpke.de/wp-content/uploads/2018/10/1904960-Polizeigewalt-Dublin.pdf


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Erstellt: 2018-10-24 08:25:18
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