20.10.2020 Menschenrechte in der EU in Gefahr

Rechtsstaatsberichte - und nun?

Um eine Einstimmigkeit für den EU Haushalt hinzubekommen, werden beide Augen zugedrückt vor den Verletzungen der Menschenrechte in verschiedenen Staaten der EU. Die "Werteunion" wird damit zum Papiertiger nach innen aber auch für andere Staaten.

Update 05.11.2020: Das EU Parlament hat der Tatenlosigkeit der Kommission widersprochen und fordert bei Maßnahmen gegen Rechtsstaatsverstöße künftig mit einer qualifizierten Mehrheit vorzugehen. Polen und Ungarn haben daraufhin angekündigt den EU Haushalt und die Corona-Hilfen zu blockieren, für die weiter Einstimmigkeit bestehen muss. Allerdings sind gerade diese Staaten als Empfänger von Geldern auf diese Zuwendungen angewiesen. Es wird spannend.

Die Präsidentin der Europäischen Bewegung Deutschland e.V., Dr. Linn Selle, stellte dazu in der letzten Woche fest:

"Die EU und ihre Mitgliedstaaten haben ein Glaubwürdigkeitsproblem: Auf der einen Seite fordern sie von Beitrittskandidaten und Partnerländern in der Entwicklungszusammenarbeit eine demokratische und rechtsstaatliche Ordnung. Doch sobald ein Land in den Kreis der EU aufgenommen ist, kann die Union der Verletzung ihrer Grundwerte nur noch tatenlos zusehen.

Eine EU, die sich ihren Gründungsidealen verpflichtet fühlt und gegen das Erstarken autoritärer Tendenzen in Europa stellt, kann nicht länger Zaungast dieses Geschehens bleiben. Die Rechtsstaatsberichte der EU-Kommission, die morgen im Rat für Allgemeine Angelegenheiten besprochen werden, geben Grund genug zu Besorgnis. Der mit den Berichten initiierte Dialog ist sicherlich gut, da er in transparenter Weise in vielen Mitgliedstaaten – auch in Deutschland – Lücken kenntlich macht. Doch wenn, wie in Polen und Ungarn, an der Unabhängigkeit der Justiz, der Pressefreiheit und der pluralistischen Demokratie gerüttelt wird, darf sich der Handlungsspielraum der EU nicht nur auf Worte beschränken.

Wir brauchen eine wirksame Verknüpfung der EU-Haushaltsmittel mit den Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit, die über Korruptionsbekämpfung hinausgeht und dem Rat nur ein gemeinsames Vetorecht zugesteht. Ansonsten läuft die EU Gefahr, neben dem Art.-7-EUV-Verfahren ein weiteres stumpfes Sanktionsinstrument zu kreieren."

Auf ihrer Webseite werden die einzelnen Dokumente mit den Rechtsstaatsverletzungen aufgeführt. Auch Deutschland wird in diesen Dokumenten erwähnt, hauptsächlich wegen der fehlenden Kontrolle von Lobbybesuchen von Wirtschaftsunternehmen bei staatlichen Stellen und Abgeordneten, die der Korruption Tür und Tor öffnen.

Auch Amnesty International prangert die Verletzungen der Menschenrechte in verschiedenen Staaten der EU, berichtet aber vor allem von den davon Betroffenen.

"Du wirst aufgrund deiner Identität ungleich behandelt oder bedroht, wenn du deine Meinung äußerst. Das ist der Alltag für viele Menschen in Ungarn. Seit Jahren werden dort die Menschenrechte angegriffen und der Rechtsstaat Schritt für Schritt ausgehöhlt. Grundlegende Freiheiten werden eingeschränkt, die Meinungs- und Pressefreiheit stehen massiv unter Druck und die Unabhängigkeit der Gerichte ist gefährdet. Auch Minderheiten wie Roma und LGBTI werden immer mehr ausgegrenzt.
Unterstütze uns dabei, die Grundrechte in Ungarn zu verteidigen!

Dezső Máté hat diese Ausgrenzung am eigenen Leib erfahren. Weil er Rom ist, wurde er als Kind getrennt von anderen Nicht-Roma Kindern unterrichtet. Mittlerweile setzt sich der Soziologe für verschiedene Minderheiten ein und kämpft für gleiche Rechte für alle. Wegen seines Engagements wurde er Opfer einer Verleumdungskampagne. Doch Dezső lässt sich davon nicht einschüchtern. Unbeirrt kämpft er weiter für Gleichberechtigung in seinem Land.

'Was gibt einer Regierung das Recht, eine Existenz zu definieren oder in Frage zu stellen? Das verstößt gegen unsere grundlegenden Menschenrechte', erzählt uns Dezső Máté in einem Video.

Auch in unserem Nachbarland Polen werden die Menschenrechte zunehmend angegriffen. Seit Jahren baut die Regierung den Rechtsstaat immer stärker ab. Mitten in Europa geraten so unsere gemeinsamen Grundwerte in Gefahr.

Setz dich jetzt für die Rechte der Menschen in Ungarn und Polen ein! Unterschreib unsere Petition!"

Wir sollten also schnellstens umsteuern, um nicht vollends zur Bananenrepublik zu verkommen. Es reicht nicht die Flagge zur Verteidigung der Menschenrechte nach außen hochzuhalten, wenn man im Innern zulässt, dass sie mit Füßen getreten werden.

Petititon unterschreiben und mehr dazu bei https://www.amnesty.de/mitmachen/petition/europa-menschenrechte-schuetzen
und https://www.netzwerk-ebd.de/nachrichten/ebd-newsletter-kw-42-2020-rule-of-law-reports/
und der Bericht zur Lage der Rechtsstaatlichkeit in allen EU-Mitgliedstaaten https://ec.europa.eu/info/publications/2020-rule-law-report-communication-and-country-chapters_de


Kommentar: RE: 20201020 Menschenrechte in der EU in Gefahr

Noch so ein "Einzelfall": Wie Europa das Recht bricht - DER SPIEGEL - Politik
Abschiebung trotz Asyl-Anerkennung https://www.spiegel.de/politik/ausland/fluechtlinge-illegale-pushbacks-in-die-tuerkei-wie-europa-das-recht-bricht-a-4c1cdccf-33ff-4b5d-a0e1-090b6f66f5aa

Jo., 20.10.2020 10:57


Kommentar: RE: 20201020 Menschenrechte in der EU in Gefahr

... Gut daher, dass am Donnerstag die deutsche Ratspräsidentschaft mit dem Europaparlament einen Kompromiss zur Rechtsstaatsverknüpfung der Haushaltsmittel finden konnte, der einen möglichst breiten Anwendungsbereich hat. Wermutstropfen bleibt jedoch, dass weiterhin die Mitgliedstaaten selbst über eine Kürzung der EU-Mittel entscheiden sollen. ...
Umso wichtiger wird daher die konsequente Anwendung der Rechtsstaatsverknüpfung im Rat. Ein weiteres Instrument, das wie das Art.-7-EUV-Verfahren im Blockadespiel versandet, kann sich die EU bei diesem zentralen Thema nicht leisten.
Dr. Linn Selle, EBD
Sehr richtig!

Merwan, 09.11.2020 07:45


Kategorie[21]: Unsere Themen in der Presse Short-Link dieser Seite: a-fsa.de/d/3cj
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Tags: #EU #Rechtsstaatsberichte #Grundrechte #Menschenrechte #Verletzung #Korruption #Minderheiten #Verfolgung #Justiz #Unabhängigkeit #Transparenz #Informationsfreiheit #Meinungsmonopol #Meinungsfreiheit #Freizügigkeit #Unschuldsvermutung #Verhaltensänderung #Gleichberechtigung #Gender #Diskriminierung
Erstellt: 2020-10-20 08:30:33
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