15.01.2019 Vorratsdatenspeicherung führt zu "detaillierter Überwachung"
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Überwachungsgesamtrechung überschreitet jedes Maß

Die Angst vor "detaillierter Überwachung" ist nicht die Meinung irgendwelcher Verschwörungstheoretiker, auch nicht (nur) von Datenschutzaktivisten wie uns, nein, das ist eine Aussage der Bundesdatschutzbeauftragten Andrea Voßhoff (CDU). Sie hatte sich zu Beginn ihrer Amtszeit bei der Wiedereinführung der von BVerfG und EuGH  für verfassungswidrig erklärten VDS noch sehr wankelmütig gezeigt und "vermutet", dass eine grundrechtskonforme VDS möglich wäre. Inzwischen sieht es jedoch so aus, auch durch andere neue Überwachungsgesetze wie die Flugreisedatenerfassung, den Handy Trojaner und die Bestandsdatenauskunft, dass die vom BVerfG definierte Überwachungsgesamtrechung jegliche Grenze überschritten hätte.

Ihre heutige Aussage nimmt der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung (AK Vorrat) zum Anlass für die folgende Mitteilung:

Vorratsdatenspeicherung: Bundesdatenschutzbeauftragte warnt vor "detaillierter Überwachung"

Die inzwischen abgelöste Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff (CDU) hält das schwarz-rote Gesetz zur verdachtslosen Vorratsspeicherung aller Verbindungs-, Bewegungs- und Internetzugangsdaten für verfassungswidrig. Dies ergibt sich aus ihrer Stellungnahme an das Bundesverfassungsgericht, die dem Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung vorliegt.[1]

"Eine effektivere Strafverfolgung und Wahrheitsermittlung im Strafverfahren wird durch die Vorratsdatenspeicherung [...] nicht erreicht", erklärt Voßhoff unter Verweis auf zahlreiche Umgehungsmöglichkeiten für organisierte Kriminalität. Dagegen ermöglichten es die flächendeckend zu speichernden Internetzugangsdaten in Verbindung mit weiteren Informationen, "über mehrere Wochen das Surfverhalten der Internetnutzer bei den jeweiligen Telemediendiensten äußerst detailliert [zu] überwachen". Voßhoff fordert deshalb die Einführung eines Richtervorbehalts für die Identifizierung von Internetnutzern (sog. Bestandsdatenauskünfte zu IP-Adressen).

Bei Vorratsdatenspeicherung des Aufenthaltsorts von Smartphone-Nutzern könne schon die bloße Anwesenheit bei einer Demonstration zu einer Erfassung von Demonstranten als "Prüffall" führen, warnt die Datenschutzbeauftragte. Das Bundeskriminalamt sammele bereits heute in großer Zahl Aufenthaltsdaten aus Funkzellenabfragen der Länder in einer zentralen Datenbank und gleiche sie miteinander ab. Ein Mobilfunkanbieter stelle alle 15 Minuten automatisch eine neue Internetverbindung her, bei der jeweils die aktuelle Funkzelle gespeichert werde. Die Vorratsdatenspeicherung ermögliche auf diese Weise "die Erstellung engmaschiger Bewegungsprofile" über einen Zeitraum von vier Wochen.

Die Sicherheit von Vorratsdaten sei zudem nicht gewährleistet. Gerade kleine und mittelständige TK-Anbieter verfügten nach Erfahrung der Bundesdatenschutzbeauftragten "regelmäßig nicht über die personellen, räumlichen und finanziellen Möglichkeiten zur Einhaltung der Anforderungen" zur Datensicherheit. Als Telekommunikationsanbieter bei Datenanforderungen auf Einhaltung der Gesetze durch Strafverfolger zu bestehen, ziehe immer wieder das "In-Aussicht-stellen einer Verfahrenseinleitung wegen Strafvereitlung sowie die Ankündigung, Vorstandsmitglieder zu einer Zeugenvernehmung vorzuladen", nach sich, berichtet Voßhoff.

Auch der rheinland-pfälzische Landesdatenschutzbeauftragte Prof. Dr. Dieter Kugelmann kritisiert das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung gegenüber dem Verfassungsgericht:[2] "Damit ist die totale und heimliche Erfaßbarkeit praktisch aller den täglichen Freiheitsgebrauch betreffenden personenbezogenen Daten durch die Sicherheitsbehörden grundsätzlich in den Bereich des Möglichen gerückt." Gesetze wie die Vorratsdatenspeicherung seien verfassungswidrig, weil sie im Zusammenspiel mit weiteren Eingriffen wie der Fluggastdatenspeicherung "die Schwelle zur Option der Totalüberwachung überschreiten".

Der bayerische Landesdatenschutzbeauftragte Prof. Dr. Thomas Petri weist die Verfassungsrichter darauf hin, dass die Genauigkeit der auf Vorrat zu speichernden Standortdaten wegen der IPv6-Technik und immer kleinerer Funkzellen weiter steige. Nach eindeutigen Urteilen des Europäischen Gerichtshofs zur Unzulässigkeit einer flächendeckenden Vorratsdatenspeicherung hält er eine erneute Befassung des Luxemburger Gerichtshofs, die von der Bundesregierung gefordert wird, nicht für geboten.[3]

Hintergrund: Dem Bundesverfassungsgericht liegen seit 2016 Verfassungsbeschwerden gegen das schwarz-rote Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung vor, unter anderem eine von Digitalcourage und Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung unterstützte Beschwerde.[4] Auch der aktuelle Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber (SPD) hatte für das Gesetz zur Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung gestimmt. Kurz vor Inkrafttreten der Speicherpflicht Mitte 2017 setzten Gerichte das Gesetz jedoch bis zur endgültigen Entscheidung wieder aus, weil es die Grundrechte der ohne Anlass betroffenen Bürger verletze. Das Bundesverfassungsgericht hat noch keinen Termin zur Verhandlung oder endgültigen Entscheidung über die Verfassungsbeschwerden bekannt gegeben.

Aus Sicht der im Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung zusammengeschlossenen Datenschützer, Bürgerrechtler und Internetnutzer ist eine verdachtsunabhängige und wahllose Vorratsspeicherung von Telekommunikationsdaten für viele Bereiche der Gesellschaft höchst schädlich:

  • Sie beeinträchtigt vertrauliche Kommunikation in Bereichen, in denen Menschen auf Vertraulichkeit angewiesen sind (z.B. Kontakte zu Psychotherapeuten, Ärzten, Rechtsanwälten, Betriebsräten, Eheberatern, Kinderwunschzentren, Drogenmissbrauchsberatern und sonstigen Beratungsstellen) und gefährdet damit die körperliche und psychische Gesundheit von Menschen, die Hilfe benötigen, aber auch der Menschen aus ihrem Umfeld.
  • Wenn Journalisten Informationen elektronisch nur noch über rückverfolgbare Kanäle entgegen nehmen können, gefährdet dies die Pressefreiheit und beeinträchtigt damit elementare Funktionsbedingungen einer freiheitlichen demokratischen Gesellschaft.
  • Die verdachtsunabhängige und wahllose Vorratsdatenspeicherung schafft Risiken des Missbrauchs und des Verlusts vertraulicher Informationen über unsere persönlichen Kontakte, Bewegungen und Interessen. Telekommunikationsdaten sind außerdem besonders anfällig dafür, von Geheimdiensten ausgespäht zu werden und Unschuldige ungerechtfertigt strafrechtlichen Ermittlungen auszusetzen.

Fußnoten:
[1] Stellungnahme der ehem. Bundesdatenschutzbeauftragten:
http://www.vorratsdatenspeicherung.de/images/vb_bfdi_2018.pdf
[2] Stellungnahme des rheinland-pfälzischen Landesdatenschutzbeauftragten:
http://www.vorratsdatenspeicherung.de/images/vb_ldi-rlp_2018.pdf
[3] Stellungnahme des bayerischen Landesdatenschutzbeauftragten:
http://www.vorratsdatenspeicherung.de/images/vb_lfd-by_2018-03-26.pdf
[4] Beschwerdeschrift gegen Vorratsdatenspeicherung:
https://digitalcourage.de/sites/default/files/users/161/digitalcourage-verfassungsbeschwerde-gegen-vds.pdf

Mehr dazu bei https://www.vorratsdatenspeicherung.de/content/view/791/79/lang,de/


Kommentar: RE: 20190115 Vorratsdatenspeicherung führt zu "detaillierter Überwachung"

Die SPD, wer hat was anderes erwartet? "Auch der aktuelle Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber (SPD) hatte für das Gesetz zur Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung gestimmt."

Di., 15.01.2019 11:21


RE: 20190115 Vorratsdatenspeicherung führt zu "detaillierter Überwachung"

Bei Vorratsdatenspeicherung des Aufenthaltsorts von Smartphone-Nutzern könne schon die bloße Anwesenheit bei einer Demonstration zu einer Erfassung von Demonstranten als “Prüffall” führen, warnt die Datenschutzbeauftragte.
Wieso ist das an ein "Smartphone" gebunden? Auch ein "dumb phone" muß sich in einer GSM-Zelle einbuchen. D.h. die Anwesenheit bei einer Demonstration oder in der Nähe eines Tatortes ist mit jedem eingebuchten Mobiltelefon nachvollziehbar, oder?

De., 15.01.2019 11:46


RE: 20190115 Vorratsdatenspeicherung führt zu "detaillierter Überwachung"

ja. Latürnich. Jedes Gerät, dass sich irgendwo einbucht, also auch ein reines WLAN-Kisterl, kann geloggt werden. Ob eine Person damit in Verbindung gebracht werden kann, hängt von den anderen Datenquellen ab, zB MAC-Adressen-Sammlung in Internet.

Di., 15.01.2019 11:55


RE: 20190115 Vorratsdatenspeicherung führt zu "detaillierter Überwachung"

Ist eh erledigt. Derartige Dinge können nicht rückgängig gemacht werden. Einmal in Gang gesetzt bleibt es, weil zu viele Interessengruppen davon profitieren. Das Kind ist nicht nur in den Brunnen gefallen, es ist mittlerweile ertrunken.
Einzige Lösung? Überwacht Staat und Firmen ebenso wie sie es mit den Bürgern machen. Legt die Sachen offen für alle.

Ne., 15.01.2019 15:05


RE: 20190115 Vorratsdatenspeicherung führt zu "detaillierter Überwachung"

Es gibt aber einen Unterschied zwischen Handy und WLAN-Client: Anonyme SIM-Karten sind für Normalsterbliche in Deutschland praktisch nicht mehr verfügbar. MAC-Adressen ändern können dagegen selbst Laien.

In., 15.01.2019 23:35


RE: 20190115 Vorratsdatenspeicherung führt zu "detaillierter Überwachung"

Jo das manipulieren von MAC Adressen ist recht simpel.

Ra., 15.01.2019 23:56


RE: 20190115 Vorratsdatenspeicherung führt zu "detaillierter Überwachung"

Ich leg es zwar nicht darauf an, aber reise zZ mit ner spanischen SIM-Karte. Was de halt brauchst, issn Ausweis, der nicht gleich Alarm schlägt. Da gibt es viele Möglichkeiten. Ja, dass MAC-Adressen frei wählbar sind, passt schon. Ich wollte nur aufzeigen, dass Normaluserin (ohne Verschleierungsabsichten) auch mit ihren WLAN-Geräten positionierbar ist. Auch wenn sie sich nicht einbucht, das Gerät aber rumguckt, ob.

Dr., 16.01.2019 09:38


RE: 20190115 Vorratsdatenspeicherung führt zu "detaillierter Überwachung"

Stimmt, WLAN ist nicht ganz so unkritisch wie man vielleicht denkt. Guter Hinweis!
Eine SIM-Karte habe ich nicht mehr, da die wichtigsten beiden Funktionen des Mobiltelefons keine benötigen: Uhr/Wecker und Taschenlampe.

De., 16.01.2019 13:05


RE: 20190115 Vorratsdatenspeicherung führt zu "detaillierter Überwachung"

Ich habe momentan noch ein Smartphone mit DualSIM. Demnächst aber wieder ein Tablet mit LTE und ein normales Handy. Zu beiden habe ich noch zusätzlich zwei Handys mit mit anonymer Prepaid Karte. Die SIM-Karten werden aber in letzteren nur dann eingesetzt wenn man sie vor Ort für politisches braucht.

In., 16.01.2019 15:31


RE: 20190115 Vorratsdatenspeicherung führt zu "detaillierter Überwachung"

kannst Du (oder jemand anders) die Prepaid-Karten mit Bargeld aufladen?

Di., 16.01.2019 15:36


RE: 20190115 Vorratsdatenspeicherung führt zu "detaillierter Überwachung"

Ich kann in den Supermarkt, Tanke, Elektrofachladen etc. gehen und eine Aufladekarte/Bon kaufen. Das geht nach wie vor ganz einfach. Das Problem ist das es keine neuen Prepaid Karten mit gefakten Daten mehr geben wird.

In., 16.01.2019 16:30


RE: 20190115 Vorratsdatenspeicherung führt zu "detaillierter Überwachung"

Ach ich habe als die Aktivierung noch ohne Ausweis ging einige Prepaid SIM-Karten gekauft. Mensche selbst aktiviert, andere weitergegeben. Auch aktivierte Karten schon getauscht etc.

Ra., 16.01.2019 16:49


RE: 20190115 Vorratsdatenspeicherung führt zu "detaillierter Überwachung"

Ja, so wirklich personengebunden sind die ja nicht. Kann mensch ja weiterverkaufen und der nächste auch wieder und so fort. Ich hab übrigens geschwindelt: ich hab ja in Spanien eine Simyo-Karte gekauft, die ich online auftanken muss. Da Simyo nur spanische Kreditkarten annimmt, geht das über recharge.com ... was die wohl so alles sammeln und zusammenführen. Ich werde später im Jahr mal DSGVO-Abfragen rumgehen lassen.

Di., 16.01.2019 17:16


RE: 20190115 Vorratsdatenspeicherung führt zu "detaillierter Überwachung"

wenn ich mich recht erinnere ist ein Weiterverkauf sogar verboten. Ob eine nicht kommerzielle Weitergabe verboten ist, kann ich Dir jedoch nicht sagen. Der entscheidende Punkt ist das man früher keine echten Daten verwenden musste. Sprich man hat sich irgendeine Adresse ausgesucht die die Plausibilitätsprüfung übersteht, dazu ein realistisch klingender Fantasiename und das Ganze via VPN oder Tor aktiviert. Je nachdem für was die SIM ist, muss man halt aufpassen wo man sie in ein Handy steckt.

Ra., 16.01.2019 19:01


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Created: 2019-01-15 10:01:45


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