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Es fehlt an zivilem Widerstand gegen totalitäre Tendenzen
Wie in unserem Bericht über die Friedensmanifestation am vorletzten Samstag angekündigt, wollen wir neben den Videos der Reden auch die Texte veröffentlichen. Das sehen wir als notwendig an, zum Einen, weil wir sie inhaltlich wichtig finden einen Weg zum Frieden aufzuzeigen, zum Anderen, weil wir immer noch über das Schweigen in den Medien über diese Demonstration für eine andere Politik entsetzt sind. Es folgt die Rede von Iris Hefets (Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost) gemeinsam mit Nadija Samour (deutsch-palästinensische Juristin), auf der Kundgebung NEIN zu Kriegen! am 25.11.23 am Brandenburger Tor in Berlin.
Iris
Nadija Während wir hier stehen, wurden mehr als 14.800 Menschen ermordet, die Hälfte von ihnen Kinder. Mehr als 6.800 Menschen liegen noch immer unter den Trümmern zerstörter Wohnhäuser und Schulen. 1,7 Millionen Menschen sind auf der Flucht. Das sind 97% der gesamten Bevölkerung eines der am dichtesten besiedelten Gebiete der Welt. Und dabei stellt sich die Frage Wohin sollen sie denn fliehen? Denn der Gazastreifen ist nicht nur seit Jahrzehnten belagert und besetzt, sondern ist auch noch seit Anfang Oktober komplett abgeschnitten von Treibstoff, Strom, Wasser und Nahrungsmitteln, ohne dass die internationale Gemeinschaft etwas unternommen hätte, Leben zu retten. Fast 100 Journalist*innen sind im Gaza Streifen und im Westjordanland von der israelischen Armee ermordet worden. Medizinisches Personal, Krankenhäuser, Ambulanzen, Schulen, Flüchtlingslager, Moscheen, Kirchen. Alles wird bombardiert und zerstört. Und dann wird auch noch behauptet, die Opfer seien selbst schuld, weil sie sich angeblich mit der Hamas gemein machen würden. Aber die bedingungslose Solidarität mit Kriegsverbrechen und Genozid hat in Deutschland nicht erst seit Oktober die Politik bestimmt. Die Normalisierung und die vollste Unterstützung mit Wort und Tat von israelischem Siedlungskolonialismus, von Apartheid und von Militärbesatzung der palästinensischen Gebiete hat ja gerade Deutschland den Weg dahin geebnet, wieder als Großmacht in der Weltpolitik mitmischen zu können.
Iris Es waren vor allem zivile Initiativen, die in Deutschland die öffentliche Auseinandersetzung mit tiefsitzendem Antisemitismus und den begangenen Verbrechen angestoßen haben. Beispielhaft sind oder seien Projekte wie die Stolpersteine oder die Orte der Erinnerung im bayerischen Viertel genannt. Die deutsche Politik hat dann diese moralische Goldmine entdeckt. Hat dann die Juden als Objekt der Wiedergutmachung gewählt und Israel als seine Repräsentanz. Aus den Juden, die fast vernichtet wurden, weil sie für das Böse standen, sind die Guten geworden. Sehr bequem. Der Zentralrat der Juden repräsentiert heute, weniger als die Hälfte der etwa 200.000 Jüdinnen und Juden in Deutschland. Noch zu Zeiten von Heinz Galinski und Ignatz Bubis kooperierte er mit anderen Minderheiten und solidarisierte sich mit ihnen. Heute wird er von dem deutschen Staat großzügig finanziert und gegen Muslime instrumentalisiert. In den 30er Jahren haben auch viele deutsche Jüdinnen und Juden den gegen sie gerichteten Rassismus verleugnet und waren sicher, dass die Deutschen nur etwas gegen Ostjuden haben und dass sie geschützt werden, weil sie im ersten Weltkrieg für Deutschland kämpften. Wenn es heute gegen Muslime geht, wird es morgen auch wieder gegen Juden gehen.
Nadija
Iris Oder besser gesagt tödlich. Wir erleben die Zuspitzung einer Entwicklung, die vor geraumer Zeit einsetzte. Ilan Pappé, Norman Finkelstein oder Hajo Meyer, alle drei Juden und Überlebende des Holocaust bzw. deren Nachkommen wurden schon vor Jahren von der Stadt München der Trinitas-Kirche in Berlin und der Heiligkeits-Kirche in Frankfurt, der Heinrich Böll Stiftung und der Rosa Luxemburg Stiftung nach anfänglichen Zusagen wieder ausgeladen bzw. ihnen wurden versprochene Veranstaltungsräume verwehrt. Die genannten Institutionen gaben damit dem Druck sich pro-israelisch gebender Kreise nach, da Finkelstein, Pappé und Meyer die israelische Politik scharf kritisieren und deshalb als Antisemiten denunziert wurden. Diese Säuberungsaktionen des Staates werden nicht zuletzt durch vermeintlich progressive Akteure und nicht die AfD oder andere braune Organisationen umgesetzt. Und dabei werden Kinder und mittlerweile Enkelkinder von Holocaust-Überlebenden, von deutschen vorgeblich judenfreundlichen Politikern belehrt, was Antisemitismus ist. Das deutsche Grundgesetz wird entleert, wenn der Bundestag Gesetzgebungen durch Resolutionen ersetzt. Die Anti-BDS-Resolution des Bundestages, die von der AfD bis zur Linken fast ausnahmslos unterstützt wurde, war ein alarmierendes Zeichen. Die Abgeordneten wussten, dass deren Inhalt als Gesetz keine Chance hatte, weil der Beschluss gegen das im Grundgesetz verankerte Recht auf Meinungsfreiheit verstieß. Das Perfide ist, dass gegen eine solche Resolution juristisch nicht zu unternehmen ist, weil sie juristisch nicht bindend ist. Jetzt droht uns eine weitere Resolution unter der Überschrift "Jüdisches Leben in Deutschland schützen". Wer danach noch Israel kritisiert, also sich des sogenannten Israel bezogenen Antisemitismus schuldig macht, riskiert nicht eingebürgert oder abgeschoben zu werden. Die AfD muss gar nicht mehr an die Regierung kommen. Ihre ausländerfeindliche Agenda wird schon umgesetzt.
Nadija Doch seit Oktober erleben wir all dieses mit einem Ausmaß, das selbst ich nicht habe kommen sehen. Allein in Berlin sind im Oktober per Allgemeinverfügung alle Palästina Demonstrationen pauschal verboten worden. Die pro-israelischen Jubeldemos allerdings, organisiert durch den Staatsapparat, die fiel natürlich nicht unter das Demonstrationsverbot. In Neukölln, ein arabisch geprägter Arbeiterkiez, beherrschte die Polizei die Straßen in einem Klima der Straflosigkeit. Arabisch aussehende Menschen wurden willkürlich auf der Straße angehalten, durchsucht und registriert. Schulkinder wurden Disziplinarmaßnahmen und Gewalt durch Lehrer*innen ausgesetzt, weil die Berliner Schulsenatorin die Kufi oder andere palästinensische Symbole verbieten wollte. Und wir haben es nun mit tausenden, wirklich tausenden Gerichtsverfahren gegen Menschen zu tun, die ihr grundrechtlich verbrieftes Versammlungsrecht wahrnehmen wollten. Aber wir müssen es auch klar und deutlich sagen. Es waren die täglichen unbeugsamen Versammlungen auf der Sonnenallee und in anderen Teilen der Stadt, die es letztlich schafften, die Demonstrationsverbote zu durchbrechen.
Es war die Solidarität zehntausender Berliner*innen und Internationalist*innen, die das Existenzrecht von Palästinenser*innen erkämpft haben. Auch heute hier auf dieser Demonstration ist es wichtig, Solidarität mit dem palästinensischen Volk laut und deutlich einzufordern. Und warum?
Mehr dazu bei https://nie-wieder-krieg.org/ Kommentar: RE: 20231207 Rede von Iris Hefets und Nadija Samour Jüdische Stimmen gegen den Krieg, 07.12.23 13:55 RE: 20231207 Rede von Iris Hefets und Nadija Samour Nicht schweigen: Norman Finkelstein, Politikwissenschaftler: "Mein verstorbener Vater war im Konzentrationslager Auschwitz, meine verstorbene Mutter war im Konzentrationslager Majdanek, jedes einzelne Mitglied meiner Familie auf beiden Seiten wurde ermordet. Meine Eltern waren beide im Warschauer Ghetto-Aufstand. Und genau wegen der Lektionen, die meine Eltern mir und meinen beiden Geschwistern erteilt haben, werde ich nicht schweigen, wenn Israel seine Verbrechen an den Palästinensern begeht. Und ich halte nichts für verwerflicher als den Versuch, ihr Leiden und ihre Ermordung zu benutzen, um die Folter, die Brutalisierung, die Zerstörung von Häusern zu rechtfertigen, die Israel an den Palästinensern begeht. Jüdische Stimmen gegen den Krieg, 07.12.23 13:55 RE: 20231207 Rede von Iris Hefets und Nadija Samour Es scheint, als gäbe es in Deutschland eine neue Form des Antisemitismus, die niemand Antisemitismus nennt: die Zensur fortschrittlicher intellektueller jüdischer Stimmen. Em., 28.03.24 10:39 Kategorie[21]: Unsere Themen in der Presse Short-Link dieser Seite: a-fsa.de/d/3xJ Link zu dieser Seite: https://www.aktion-freiheitstattangst.org/de/articles/8611-20231207-rede-von-iris-hefets-und-nadija-samour.html Link im Tor-Netzwerk: http://a6pdp5vmmw4zm5tifrc3qo2pyz7mvnk4zzimpesnckvzinubzmioddad.onion/de/articles/8611-20231207-rede-von-iris-hefets-und-nadija-samour.html Tags: #Friedensmanifestation #IrisHefets #JüdischeStimme #NadijaSamour #Ukraine #Russland #Israel #Palästina #Diplomatie #SchuleohneMilitär #Atomwaffen #Militär #Bundeswehr #Aufrüstung #Waffenexporte #Drohnen #Frieden #Krieg #Friedenserziehung #Menschenrechte #Zivilklauseln Erstellt: 2023-12-07 09:52:49 Aufrufe: 382 Kommentar abgeben |
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